In diesem Artikel möchte ich zeigen, wie sich zwei Ansätze grundlegend unterscheiden: das bekannte Join-Up® nach Monty Roberts und das Einladen, bei dem das Pferd gebeten wird in die Mitte
zu kommen. Dabei wird deutlich, dass es nicht nur um Technik geht, sondern um die Qualität der Beziehung zwischen Mensch und Pferd. Beide Herangehensweisen werden in der Freilaufenden
Bodenarbeit eingesetzt.
Wenn wir von freilaufender Bodenarbeit sprechen, geht es darum, mit dem Pferd in einen echten Dialog zu treten, seine Körpersprache zu lesen und auf seine Signale einzugehen. Es ist ein Austausch, der auf Kommunikation basiert – und unterscheidet sich deutlich von Freiheitsdressur, bei der es oft um Tricks, Show oder das bloße Umsetzen von Kommandos geht.
Das Join-Up® wurde durch Monty Roberts bekannt und beschreibt eine Methode, bei der das Pferd durch gezieltes Weg- und Vorantreiben dazu gebracht wird, sich am Ende aus eigener Bewegung dem Menschen anzuschließen. Der Mensch im Roundpen übernimmt die Rolle eines Raubtiers und treibt um das Pferd in Bewegung zu halten, bis es bestimmte äußere Merkmale zeigt – meist das Absenken des Kopfes. Erst dann verändert er seine Haltung, wird ruhiger, wendet sich leicht ab und erlaubt dem Pferd, zu ihm zu kommen. Dieser Moment gilt als Zeichen von Vertrauen und Bereitschaft, die Führung des Menschen anzunehmen.
Doch zwischen einem Pferd, das sich wirklich öffnet, und einem Pferd, das aus Erschöpfung oder Erleichterung nach(auf)gibt, liegt ein entscheidender Unterschied. In der klassischen Durchführung wird das Pferd so lange bewegt, bis es die erwarteten Signale zeigt, während seine feinen Ausdrucksformen – seine Suche nach Orientierung, sein Bedürfnis nach Sicherheit, seine stillen Fragen – oft unbeachtet bleiben. Das Pferd wählt den Menschen nicht unbedingt aus Vertrauen, sondern weil der Druck nachlässt. Vor allem bei domestizierten Pferden, die den Menschen bereits kennen, ist dieses wiederholte Wegtreiben unnötig und kann das Gegenteil von Vertrauen bewirken. Viele Pferde zeigen Stresssymptome – schwere Atmung, Anspannung, Erschöpfung – bis sie schließlich das Verhalten zeigen, das als „Unterwerfungssignal“ gedeutet wird. Erst dann wird der Druck gelockert, das Pferd darf herantreten, und der Mensch wirkt lediglich wie der angenehmere Ort – nicht wie ein echter Partner.
In der freilaufenden Bodenarbeit geht es mir hingegen darum, in einen echten Dialog mit meinem Pferd zu treten. Ich möchte es kennenlernen, sehen, wie es ihm heute geht, und auf die Fragen eingeht, die ich stelle. Wir testen uns aus, kommen uns näher und kommunizieren über Körpersprache. Ich lese die Signale meines Pferdes, setze meine eigene ein, stelle Fragen, lese die Antworten und gehe darauf ein.
Eine dieser Fragen ist das Einladen. Wie bei allen Fragen sind die Antworten unterschiedlich, aber immer ehrlich und deutlich. Mein Pferd reagiert auf mich – nicht immer mit einem durchlässigen „Ja“, aber immer mit einer Antwort. Auch ein „Nein“ oder das Nicht-Handeln ist eine Antwort. So entsteht ein echtes Gespräch. Ich führe, gehe aber auf mein Gegenüber ein, spüre, was es braucht, um sich bei mir wohlzufühlen. Schafft es das, kommt es meiner Einladung nach. Die Art und Weise, wie und ob es zu mir kommt, sagt mir, wie es sich mit mir fühlt – ehrlich, direkt und ohne Zwang.
In der freilaufenden Bodenarbeit treibe ich mein Pferd nicht von Anfang an, sondern beobachte, was heute gebraucht wird – welche Energie es mitbringt, wie wir gemeinsam in den Dialog treten können. Meine Hilfengebung ist so klein wie möglich, dafür klar und präzise. Das Einladen ist eine von vielen Fragen, die ich meinem Pferd stelle. Dabei ist es wichtig, die Signale zu lesen und auch mal dann einzuladen, wenn das Pferd selbst nach Nähe fragt. Kommt es der Einladung nicht nach, liegt das nicht an Ungehorsam, sondern daran, dass es sich noch nicht ausreichend wohlfühlt. Genau diese Ehrlichkeit macht die Arbeit so wertvoll. Anstatt Druck aufzubauen, suche ich Wege, das Wohlbefinden meines Pferdes zu fördern, Vertrauen zu stärken und Sicherheit zu schaffen, sodass es gerne zu mir kommt. So entsteht ein echter, freiwilliger Dialog zwischen uns. Denn wenn ich das Gespräch so führe, dass sich mein Pferd gesehen fühlt und sich durch meine Klarheit sicher fühlt, zeigt es dies indem es mein Einladen, zügig und gerne zu mir kommt.
Kurzform: Unterschied Join-Up® vs. Einladen
Join-Up®:
- Alles außer Reinkommen wird unerträglich gemacht.
- Viele Signale des Pferdes werden ignoriert.
- Es geht um Dominanz; das Raubtier treibt, bis das Pferd „Mensch“ wählt.
- Das Pferd hat die Wahl zwischen Flucht und Reinkommen.
- Kommt es nicht, wird es weiter getrieben.
Einladen:
- Es wird nicht per se getrieben; es wird geschaut, was heute gebraucht wird.
- Das Gespräch ist vielseitig, die Hilfengebung so klein wie möglich und klar.
- Das Einladen ist eine Frage; die Antwort wird angenommen. Kommt das Pferd nicht, liegt es daran, dass es sich noch nicht´mit dem Menschen wohlfühlt.
- Statt Druck aufzubauen, wenn es nicht kommt, nehme ich dies als Hinweis, mein Pferd fühlt sich nicht gut mit mir, daran muss ich arbeiten.
- meine Aufgabe: suche Wege, das Pferd zu unterstützen, damit es gerne und freiwillig kommt.
Manchmal liegt der Unterschied zwischen Vertrauen und Gehorsam in der Art, wie wir fragen – nicht in dem, was wir fordern.
Hinweis: Join-Up® ist eine eingetragene Marke von Monty Roberts. Die Methode wird hier ausschließlich zu Vergleichs- und Erklärungszwecken beschrieben.

Kommentar schreiben