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Hinter der glänzenden Fassade

Da stand ich nun – in einem fremden Pferdestall, inkognito.
Weit weg von Zuhause. Eigentlich privat unterwegs … und doch wieder bei Pferden gelandet.

Nur ein Pferd hier kannte ich – einen freundlichen Wallach mit fröhlichem Gemüt, den ich schon lange nicht mehr gesehen hatte.

Als ich ankam, wurde er gerade von einer Trainerin bzw. Therapeutin auf dem Platz gearbeitet. Obwohl seine Besitzerin durchaus über einen beachtlichen Fundus an guter, durchdachter Ausrüstung verfügt, fiel mir sofort etwas Neues auf. Etwas, das ich erst kürzlich zufällig in einem Facebook-Post entdeckt hatte. Die Kommentare darunter waren überwiegend kritisch – was natürlich meine Neugier weckte. Ich konnte es kaum erwarten, dieses Teil einmal in Ruhe genauer anzuschauen.

Doch jetzt wurde der Wallach gerade gearbeitet, also beobachtete ich still – versuchte zu verstehen, was ich da sah.
Und ehrlich gesagt: ich erschrak.

Die Haltung, die von ihm verlangt wurde, erschien mir weder sinnvoll noch förderlich. Auch wenn ich dieses spezielle Ausrüstungsteil nicht kannte, sah ich sofort, dass es nicht gut passte.
Als ich – absichtlich ein wenig unbedarft – fragte, ob das Nasenteil tatsächlich so weit unten liegen müsse, wurde kurz nachjustiert. Doch in meinen Augen machte das die Sache nicht besser. (Siehe Foto.)

Ich konnte beim besten Willen nicht nachvollziehen, welchen Sinn es haben soll, ein Pferd mehrere Runden lang mit so tiefer Kopfhaltung, nach innen gebogen und beinahe schlurfend über den Platz laufen zu lassen.
Auf meine Frage, warum er den Kopf so tief halten müsse, bekam ich zur Antwort:
„Das muss er gar nicht – das macht er von sich aus.“
Aha …

Bitte versteht mich nicht falsch: Die Besitzerin liebt ihr Pferd und möchte für ihn nur das Allerbeste. Leider ist sie aber in der Entscheidung, was für ihr Pferd das Beste ist, sehr unsicher. Sie verlässt sich deshalb auf Profis, die ihr alles plausibel und überzeugend argumentieren können.

Vielleicht versteht ihr es besser, wenn ihr die offizielle Beschreibung dieses Bridles lest. In der offiziellen Ausschreibung hat dieses Teil nur Vorteile.

 


Hier ist also meine persönliche Meinung:

Es handelt sich dabei um ein hartes, ovales Gebilde, das in keiner Richtung nachgibt. Positioniert man es am Pferdekopf, wirkt es nicht nur vorne auf den empfindlichen Nasenrücken ein – vor allem dann, wenn es so tief sitzt, dass es bereits auf den weichen Knorpel trifft. Es übt auch Druck auf den Unterkiefer und zwischen den Kieferästen auf das Zungenbein aus. Für ein Pferd ist es daher extrem unangenehm, sich dieser Einwirkung zu widersetzen – was dem Anwender wiederum das Gefühl gibt, mit sehr wenig Kraft „fein“ einwirken zu können.
Umpf – das ist wirklich doof.

Bei genauerem Hinsehen konnte ich auch entsprechende Gebrauchsspuren erkennen, die darauf hindeuten. Der Metallring, der oberhalb des Nasenbügels angebracht ist, vergrößert zudem den Abstand der Einwirkung um etwa 1,5 bis 2 cm – was automatisch zu einer Hebelwirkung führt.

Bei Zäumungen mit Hebelwirkung – etwa bei Gebissen mit Schenkeln oder auch bei Hackamores – habe ich schon vor langer Zeit gelernt, dass pro Zentimeter Hebelverlängerung beim Annehmen des Zügels rund 8 kg mehr Druck auf das Pferd einwirken.
Der Mensch braucht also viel weniger Kraft – aber beim Pferd kommt deutlich mehr an.

Und genau das führt oft zu dem Trugschluss:
„Cool, mein Pferd reagiert so fein – es mag das!“
Äääh … nein.
Es mag das nicht.
Es versucht nur, schmerzfrei aus der Sache herauszukommen.

Wenn du diesen Beitrag teilst, hilfst du vielleicht einem weiteren Pferd, verstanden zu werden – im Sinne des Pferdes. 🤎

 

 

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