„In den letzten beiden Abenden habe ich euch erzählt, was Schulpferde leisten, wie sie Kinder tragen und unser Verständnis
von Achtsamkeit, Geduld und Respekt formen.
Ich habe über ihre Würde und ihr Wohlbefinden geschrieben – und wie leicht das und sie als fühlendes Wesen übersehen werden.
Heute möchte ich den Kreis schließen – und ein paar Ideen in den Raum werfen wie Unterricht im Sinne des Pferdes aussehen
kann:
Wie wir Kinder zu verantwortungsvollen Pferdemenschen begleiten und Schulpferde auf ein Leben als verlässliche Freizeitpartner vorbereiten.
Teil 3 – meine Vision für Reitschulen, in denen Pferde und Menschen wirklich im Einklang wachsen.
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Ja, es gibt sie – die Pferde, die tief in sich ruhen.
Die klar, freundlich und verlässlich sind.
Die Kinder tragen, ohne dass es sie überfordert.
Pferde, die stabil bleiben, auch wenn sie täglich mit unseren Unsicherheiten, unserer Ungeduld oder Begeisterung konfrontiert werden.
Aber nur weil sie geeignet sind, heißt das nicht, dass sie ein Leben lang „Schulpferd“ sein sollten.
Und dann gibt es die anderen –
die, die längst aufgehört haben, sich zu wehren.
Die gelernt haben, dass Widerstand sinnlos ist,
weil die Konsequenz schlimmer wäre als das Aushalten selbst.
Ich sehe sie oft.
Pferde, die einmal offen und sanft waren – und deren Augen heute leer geworden sind.
Es gibt sie beide. Und nicht selten werden aus der ersten erwähnten Gruppe mit der Zeit die zweite. Das müssen wir ändern!
Ich habe eine Vision.
Von Reitschulen, in denen Pferde nicht ihr ganzes Leben lang leisten müssen, sondern nach einiger Zeit liebevoll entlassen werden –in ein Zuhause, wo sie einfach wieder Nummer 1 Pferd sein
dürfen. Wo Dankbarkeit ihren Abschied begleitet, nicht Erschöpfung. Wo jedes Pferd die Chance bekommt, irgendwann aus dem System zu treten, bevor es daran zerbricht.
Ich habe eine Vision von Lehrbetrieben,
in denen Pferde als das gesehen werden, was sie wirklich sind:
fühlende, feinfühlige Wesen, die uns Menschen mit unendlicher Geduld lehren, was Achtsamkeit, Präsenz und echte Verbindung bedeuten.
Pferde, die Kinder tragen, Erwachsene erden und Reitlehrer begleiten – Tag für Tag, oft still, oft über ihre Grenzen
hinaus.
Ich habe eine Vision,
in der Unterricht nicht Massenware ist, sondern Begegnung. In der Qualität wieder wichtiger ist als Quantität – für Mensch und Pferd.
Wenn Unterricht wieder Tiefe hat,
müssen Pferde nicht mehr im Dauerlauf funktionieren.
Dann darf auch der Mensch wieder atmen, fühlen, wahrnehmen.
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Schulpferde – die stillen Helden unserer Reitkultur
Sie sind die wahren Lehrer unserer Reitschulen.
Ohne sie gäbe es keinen Unterricht, kein Lernen, kein Gefühl für Lebendigkeit.
Sie tragen Kinderträume, Anfängerfehler, Frust und Freude gleichermaßen.
Sie machen es möglich, dass Menschen überhaupt lernen können, was feine Kommunikation bedeutet.
Und doch werden sie selten gewürdigt. Dabei sind sie es, die uns lehren, was Geduld, Respekt und wahre Präsenz bedeuten. Und das oft bis zu ihrem bitteren Ende!
Ich beobachte, wie Reitschulen gute Pferde erst dann hergeben, wenn sie nicht mehr „gut sind“ nicht mehr
„funktionieren“.
Wenn sie Glück haben, finden sie jemanden, der sie auffängt.
Wenn nicht, endet ihre Geschichte leise – und viel zu früh. Mancher versucht es noch bei ausgewählten Reitschülern: „Dir würde ich diese tolle Stute verkaufen, sonst niemandem“ Wie oft habe
ich schon diesen Satz gehört:
„Wenn du sie nicht nimmst, geht sie nächste Woche zum Schlachter.“ Das geschieht bei Pferden die ausgemustert werden weil psychisch oder physisch krank, gearbeitet bis einfach nichts mehr
geht!
Und wieder wird aus Schmerz ein Geschäft gemacht.
Ich habe eine Vision.
Wo Pferde nicht bis aller Tage Ende funktionieren müssen,
weil weniger Stunden mit mehr Tiefe ausreichen, um wirklich etwas zu bewegen. Weil die Karriere als Schulpferd nur vorrübergehend ist. Weil es darum geht zu lernen und bei der passenden
Reiter-Pferdkonstellation loszulassen.
Ich habe eine Vision.
Eine Vision, in der jedes Schulpferd ein Leben führen darf, das ihm gerecht wird. In der wir Verantwortung nicht nur übernehmen, sondern bewusst gestalten.
In der wir spüren, dass Wertschätzung nicht aus Worten, sondern aus Entscheidungen entsteht.
Ein Schulpferd ist kein Lehrmittel, kein Werkzeug und kein Mittel zum Zweck –
es ist ein Lehrer, ein Kollege, ein fühlender Partner.
Wenn wir unsere Kinder reiten lassen,
wenn wir Unterricht geben,
dann sollte all das im Sinne des Pferdes geschehen.
Denn Kinder lernen nur dann wirklich,
wenn die Pferde, mit denen sie lernen, wohlbehalten sind.
Im Sinne des Pferdes zu handeln bedeutet:
wahrzunehmen, zu respektieren, zu begleiten und zu schützen – immer wieder, in jedem Moment.
Ich habe eine Vision.
Von Reitschulen, in denen Pferde wieder Würde erfahren und nach ihrer Schulpferd Karriere wieder ein normales Leben führen können. Bevor sie komplett verheizt werden.
Von Lehrern, die Sinn finden statt Erschöpfung.
Eine Vision, in der Reitlehrerinnen und Reitlehrer
nicht neun Stunden täglich auf dem Platz stehen müssen, weil ihre Arbeit endlich fair entlohnt wird.
Wo Unterricht nicht nur Wissen vermittelt, sondern Leben formt – Pferde auf ihrem Weg zu verlässlichen Freizeitpartnern begleitet und Kinder auf ihrem Weg zu verantwortungsvollen Pferdemenschen geführt werden.
Warum kann ein Reitschulbetrieb nicht auch gleichzeitig Quelle sein für gute, gelassene Pferde für den Freizeitbereich? Sie sind gesucht, der „Markt“ ist leer. Händler machen einen Reibach mit Pferden die nicht auf Ihr Leben vorbereitet wurden.
Warum kann also die Reitschule nicht auch das Aushängeschild sein, bei der man gute, zuverlässige Pferde finden und kaufen
kann –
um ihnen ein gutes Zuhause zu bieten? Und sie somit auch wieder aus der Schulpferdmühle zu entlassen. Denn genau diese Reitschule kann eine gute Entscheidung treffen, wenn es darum geht, welches
Pferd zu welchem Kind passt.
Sie sind gesucht, vor allem im Freizeitbereich: die zuverlässigen Pferde.
Ich habe eine
Vision.
Von einer Welt, in der das, was wir tun, wirklich im Sinne des Pferdes geschieht.
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Ute Gerster (Freitag, 17 Oktober 2025 22:25)
Donnerwetter was für ein Artikel. Endlich traut sich jemand, das anzusprechen . Ich stehe hinter deiner Vision.