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Kinder und Pferde – ein ehrlicher Blick auf die Beziehung

Und wieder ein Artikel, bei dem ich auf Widerstand stoßen werde. Bei dem es viele Ansichten gibt. Und ich schreibe trotzdem – nicht um zu provozieren, sondern um einen anderen Blickwinkel zu bieten.

Vielleicht, nur vielleicht, wenn man bereit ist, den ganzen Text zu lesen und nicht nur auf ein Bild zu schimpfen, könnte hier eine horizonterweiternde Diskussion entstehen.

In einem meiner Kurse sprachen wir darüber, wie wichtig es ist, nicht zu verbissen, nicht zu verkopft an den Umgang, das Training und das Miteinander mit dem Pferd heranzugehen. In diesem Gespräch meinte eine Teilnehmerin, dass Kinder für Pferde viel besser seien – weil sie so unbedarft herangehen. Und spontan kam von mir ein klares Nein!

Bevor du urteilst – lies bitte bis zum Ende. Vielleicht entdeckst du dann eine neue Perspektive.

Wie immer gibt es Ausnahmen zu jeder Regel, dennoch sollte man sich bewusst machen, dass nicht jedes Pferd für Kinder geeignet ist, ja vielleicht sogar die meisten nicht! Und was heißt das eigentlich, das Pferd ist geeignet?  Sicherlich gibt es Pferd-Kind-Paare, in denen beide voneinander profitieren. Es gibt aber auch Paare, in denen das nicht so ist. Und genau darüber möchte ich berichten.


Als ich vom Pferdefieber infiziert wurde, hatte ich sehr früh die Möglichkeit, Ferien auf einem Reiterhof zu verbringen. Gemeinsam mit 14 anderen Kindern lebte und erlebte ich eine Woche voller Pferde auf einem (aus damaliger Sicht) paradiesischen Reiterhof in Knittelsheim in der Oberpfalz.

Ohne es wirklich zu wissen, möchte ich behaupten: von diesen 14 Kindern haben wahrscheinlich mindestens 10 ihr Interesse an Pferden in der Pubertät verloren.

Nach dieser Woche war ich überzeugt, dass ich alles wusste, was man zum Reiten braucht. Selbstbewusst, wie ich damals war – die Demut und Einsicht kamen erst Jahre später – besuchte ich einen privaten Stall in der Nähe und half dort fortan, die Pferde zu versorgen. Als ich anfing, waren wir vier Mädchen aus dem Dorf – fünf Wochen später war ich alleine.

Schnell bekam ich ein Pflegepferd, das später in meinen Besitz überging. Im Nachbardorf hatte ich eine Freundin mit eigenem Pferd. Unsere Nachmittage und Ferien waren mit unseren Pferden ausgefüllt. Sie waren wunderbar und machten jeden Unsinn mit uns mit.

Wenn ich heute daran denke, bin ich heilfroh, dass meine eigenen Kinder kein Interesse an Pferden hatten – ich hätte ihnen diese intensiven Erfahrungen, die wir ohne ein Bewusstsein auf Kosten der Pferde machten, sonst verwehrt. Meine Freundin machte eine Lehre, und als ihr Pferd starb, war das für sie das Ende ihres Reiterlebens.


Kinder wollen reiten

Was ich damit sagen möchte: Viele Kinder sind mal pferdebegeistert, hören aber nach einiger Zeit wieder auf. Es geht ihnen vielleicht ähnlich wie mir beim Gitarre spielen oder Spanisch sprechen. Sie möchten reiten können – aber nicht reiten lernen müssen.

Kinder sind meist am Reiten selbst interessiert. Sie haben oft keine Lust, achtsamen Umgang zu lernen. Eigene Bedürfnisse stehen im Vordergrund: Spaß mit anderen Kindern und Pferden, Galoppieren oder gar Springen. Weniger Interesse besteht für Timing, Balance, Gefühl oder die Frage: Bietet mir mein Pferd den Ritt heute an?

Das ist, je nach Alter, völlig normal und sollte nicht negativ bewertet werden. Sondern einfach mal realistisch gesehen werden. In diesem Fall dient das Pferd dem Kind – nicht das Kind dem Pferd! Ja, es gibt sie, die Kinder, die sich aufopfern, um ein krankes Pferd zu pflegen, auch wenn sie es nie mehr reiten können. Aber die Realität zeigt: Das sind Ausnahmen. Und so sind die Pferde dazu verdonnert, für Kinder zu dienen, die nicht wirklich auf die Bedürfnisse des Pferdes eingehen, weil die eigenen Bedürfnisse zu stark sind. Es sind eben Kinder!


Pferde brauchen Klarheit

Pferde brauchen Klarheit und Sicherheit mehr als die Leichtigkeit, die ein Kind zu bieten hat. Es gibt sogenannte Kinderpferde, aber ebenso viele Jungpferde oder Problempferde und normale Pferde die zu Problempferden werden. Pferde, die eine stabile Basis brauchen, auf die sie sich verlassen können. Für diese Pferde sind Klarheit, Sicherheit und souveränes Auftreten essenziell. Pferde brauchen Kontinuität, Verlässlichkeit, Wiederholung und Beständigkeit – etwas, das Kinder in ihrer Lebensphase oft noch nicht leisten können.

Ja, es gibt Argumente, dass ein Kind ein Pferd von der Koppel holen kann und das Pferd mitläuft – etwas, das Erwachsene nicht immer erreichen. Aber ich spreche hier von Pferden, die nicht immer so in sich ruhen, die versuchen, den Menschen zu verstehen und Konsequenz brauchen, um sich sicher zu fühlen. Hier sind Kinder oft fehl am Platz, weil sie selbst noch lernen und reifen müssen.


Toleranz ≠ Wohlbefinden

Es gibt Pferde, die bei Kindern mehr tolerieren als bei Erwachsenen. Aber mehr Toleranz bedeutet nicht, dass es gut für sie ist. Häufig sind es die gutmütigen Pferde, die übergangen und benutzt werden. Ehrenhaft, dass sie so selbstlos auf unsere Kinder aufpassen, aber es ist dennoch eine Art und Weise, in der das Pferd oft übergangen wird. Nur weil es funktioniert, heißt das nicht, dass es im Sinne des Pferdes ist. Brave Pferde sind manchmal resigniert, gerade weil sie viel mit Kindern zu tun hatten.


Vertrauen und Verdienen

Vielleicht ist genau das der Punkt: Kinder brauchen den Zugang zum Pferd – aber sie brauchen ihn nicht bedingungslos. Sie brauchen Erwachsene, die den Wert des Pferdes kennen und lehren, Kindern nicht „nur“ reiten, sondern das komplette Packet Pferd näher bringen, inklusive Körpersprache, die Bedürfnisse etc. dass Vertrauen etwas ist, das man sich verdient. Nicht durch Druck, sondern durch Haltung. Nicht durch Wollen, sondern durch Sein.
Auf eine Weise, die beiden Seiten gerecht wird – dem Kind und dem Pferd.
So entsteht kein elitärer Kreis, sondern ein geschützter Raum für ehrliche Begegnung. Denn hier entscheidet sich, ob aus einem ersten Kontakt eine echte Verbindung entstehen kann – oder nur ein weiterer Konsummoment im Pferdestall.

 

Fazit:

Am Ende zählt nicht, wie früh ein Kind reiten lernt – sondern wie tief es lernt zu fühlen.
Wie ehrlich es lernt, ein Pferd zu sehen – nicht als Werkzeug, sondern als Wesen.
Kinder dürfen Pferde lieben – doch wir Erwachsenen tragen die Verantwortung, diese Liebe zu lenken.
Nicht in Richtung Besitz oder Leistung, sondern in Richtung Achtung, Bewusstsein und Verantwortung.
Denn jedes Pferd, das einem Kind begegnet, trägt ein Stück Zukunft in sich –
und es liegt an uns, ob diese Zukunft von Leichtigkeit oder von Last erzählt.

 

 

Das Foto ist ein Symbolbilder von Pixabay – es steht stellvertretend für das, was Worte oft nur andeuten können.

 

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