Heute habe ich wieder Gedanken in Worte gefasst, die unbequem sind. Gedanken, die das Potenzial haben, Egos anzukratzen. Gedanken, die provokant wirken können für Pferdemenschen, die überzeugt sind, eine wundervolle Partnerschaft mit ihrem Liebling zu haben. Dies ist also eine kleine Vorwarnung: Wer nicht aus seiner Bubble möchte, wer sich nicht hinterfragen will, sollte hier besser aufhören zu lesen. Für alle anderen: may the show begin – das Popcorn steht bereit.
Ich höre es immer wieder in meinen Kursen: Wenn es mal nicht so klappt, wie es klappen soll, oder wenn das Pferd plötzlich nicht mehr so funktioniert wie zu Hause. Dann fallen oft die mir wohlbekannten Sätze: „Zu Hause hat alles geklappt“ oder: „Das macht sie zu Hause nie!“ – meist, wenn es um unerwünschtes Verhalten geht.
Diese Aussagen – und die Art, wie sich das Pferd präsentiert – geben mir viele Hinweise darauf, wie die Zusammenarbeit und das Miteinander tatsächlich sind. Auch zu Hause.
Denn „Zuhause“ ist oft ein Heimvorteil: die Komfortzone, in der das Pferd weniger ängstlich, weniger angespannt ist – und dadurch vieles mehr toleriert. Manchmal ist es auch der Ort, an dem weniger Energie für Bewegung aufgebracht wird, weil das Adrenalin fehlt, das fremde Plätze hervorrufen können.
Mir geht es nicht darum, dass Pferde funktionieren sollen. Ganz und gar nicht. Mir geht es um den Dialog, das Miteinander. Wieviel Interesse zeigt das Pferd an seinem Menschen, wenn es draußen mit so viel anderem beschäftigt ist? Wieviel Bedeutung haben wir und unsere Fragen, wenn die Ablenkung größer ist als der Alltag? Wie groß ist das Vertrauen wirklich, wenn die Sicherheit der vertrauten Herde oder Umgebung fehlt? Genau in diesen Momenten zeigt sich, wie wichtig ich für mein Pferd bin. Kann ich ihm immer noch Sicherheit geben? Oder war es zu Hause gar nicht meine Sicherheit, sondern nur die hohe Toleranzgrenze, die Dinge möglich gemacht hat – und ich habe mich unbewusst darauf ausgeruht? Wie sehr ich tatsächlich für mein Pferd da sein kann, zeigt sich nicht im Wohlfühlrahmen daheim, sondern in den schwierigen Momenten.
Wenn Menschen mir dann versichern, dass es zu Hause „ganz anders“ ist, verstehen sie oft nicht, dass das Problem auch dort vorhanden ist. Es zeigt sich nur nicht so deutlich – es versteckt sich hinter Gewohnheit und Alltag.
Selbst wenn es im erweiterten Umfeld – auf angrenzenden Wiesen, im Wald, im Gelände – gut läuft, gehört auch das für das Pferd längst zum vertrauten Raum. Das Bild wird verfälscht.
Doch in der Fremde zeigt sich das Wesentliche: Eine gute Partnerschaft führt nicht zwingend zur Perfektion – aber sie zeigt, wo das Pferd Hilfe sucht, wie wichtig der Mensch wirklich für es ist. Nicht, um perfekt zu sein, sondern um im Dialog zu bleiben. Der Inhalt dieses Dialogs mag wechseln, aber die Qualität bleibt, wenn die Partnerschaft stimmt.
Unter besonderen Bedingungen, in großen Schwierigkeiten, wenn Stresslevel steigen und Unsicherheit von außen dazu kommt – da zeigt sich, ob ich wirklich eine Beziehung habe. Ein Pferd, das auf Gehorsam trainiert wurde, hört genau dann auf zu gehorchen, wenn etwas im Außen größer ist als die Autorität des Menschen.
Außerhalb der Komfortzone offenbart sich das wahre Bild: was wir für unser Pferd wirklich sind. Nicht im Gehorsam. Nicht im bloßen Funktionieren. Sondern in der Bereitschaft, im Dialog zu bleiben.
So lasst uns immer mit einem ehrlichen Blick unsere Beziehung mit dem Pferd betrachten, und das Ego hinten an stellen, um die bester Version unser selbst zu sein! Im Sinne des Pferdes!
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