"Mein Pferd ist mein bester Freund. Es versteht mich. Es tröstet mich. Es ist immer für mich da.“ Klingt schön, oder?
Aber Hand aufs Herz: Ist das wirklich so – oder reden wir uns das nur ein?
Pferde sind keine Therapeuten, keine Seelenverwandten, keine Menschen im Fellkleid. Sie sind Pferde. Punkt.
Und genau darin liegt ihre Größe – wenn wir endlich aufhören würden, sie zu etwas zu machen, das sie nie sein wollten.
Ein Pferd als Pferd zu behandeln, ist eine Frage des Respekts. Diese Haltung bedeutet, es als das anzunehmen, was es ist – ohne eigene Bedürfnisse hineinzuinterpretieren oder über seine
Grenzen hinweg zu befriedigen.
Eine gute Partnerschaft zwischen zwei so unterschiedlichen Wesen wie Pferd und Mensch kann nur funktionieren, wenn man den anderen das sein lässt, wozu er bestimmt ist. Das bedeutet dann
auch: Wenn ich meinem Pferd etwas abverlange, dann sollte das einen Sinn und eine Bedeutung haben. Andernfalls lasse ich es besser auf der Koppel stehen, anstatt es ausschließlich für mein
eigenes Wohlbefinden zu benutzen.
Doch stellen wir uns zuerst die Frage: Warum sind wir Menschen überhaupt so fasziniert von diesen – ja doch sehr kostenintensiven – wunderschönen Wesen?
Was ist das Pferd für uns?
Was macht ein Pferd eigentlich aus? Es ist Fluchttier, Herdentier, Lauftier – und noch so viel mehr. Es begeistert uns Menschen seit jeher mit seiner Sanftheit, seiner Schönheit, seiner
Ausdauer, seiner Kraft und Eleganz. Ob im Krieg, bei der Arbeit, im Sport oder für unser privates Vergnügen – seit vielen Jahrhunderten steht es uns zur Seite.
Wir identifizieren uns über das Pferd, wachsen an ihm, lernen von ihm. Wir bereichern uns an seiner Gegenwart, gehen darin auf, es zu pflegen und zu versorgen. Für viele ist es ein lebendiges
Kuscheltier, bester Freund, Kindersatz, Partnerersatz, Lehrer, Abenteuerbegleiter oder Brückenbauer.
Und wenn wir Sorgen haben oder schlecht drauf sind, dann reicht oft schon eine Stunde beim Pferd – und wir fühlen uns besser. Man könnte also meinen, das Pferd habe tatsächlich die Fähigkeit,
als eine Art Therapeut für uns zu wirken.
Doch genauso gilt: Geht es dem Pferd schlecht, so geht es auch uns schlecht – aus Sorge um dieses geliebte Tier.
Was sind wir für das Pferd?
Ganz realistisch betrachtet: Wir sind Futtergeber. Bewegungsmotivator. Manchmal sogar Sozialer Ersatz, Masseur, Sicherheitsfaktor – oder Risiko.
Allein diese Aufzählung zeigt, dass Pferde völlig anders „gestrickt“ sind als wir. Pferde lieben uns nicht, weil sie sich bewusst für uns entschieden hätten. Sie können nicht wählen, bei
welchem Menschen sie leben möchten. Sie können nur spüren, ob sich eine Situation gut anfühlt oder nicht.
Wir sind Besitzer, Reiter, Pfleger, Spielkamerad. Mal eine willkommene Abwechslung, wenn der Alltag langweilig ist – und mal eine störende Unterbrechung, wenn sie ein stabiles Sozialgefüge
haben.
Was bedeutet das für die Pferd-Mensch-Partnerschaft?
Viele Menschen nutzen – oder sollte ich sagen: benutzen – ihr Pferd als Freundersatz. Natürlich geschieht das aus Liebe. Und trotzdem: Es ist Vermenschlichung.
Das Pferd wird verhätschelt, beschmust, in Decken gepackt und in warme Boxen gestellt. Wir erzählen ihm alles, was uns wichtig ist, ungeachtet der Tatsache, dass es unsere Sprache nicht
versteht. Wir bezeichnen die Stute als beste Freundin, umarmen sie, küssen sie, drücken unser Gesicht ins Fell. Der Wallach ist das Herzenspferd, der Seelenverwandte ohne dass wir uns bewusst
machen, wären wir hier auf einer 10000 Hektar großen Weide würde das Pferd zu 99 % nicht zu uns kommen und sagen, endlich habe ich meine Seelenpartnerin gefunden!
Doch was bedeutet das für das Pferd?
Pferde zeigen oft deutliche Signale – angelegte Ohren, hochgezogene Nüstern, Abwehrreaktionen – und trotzdem hören viele Menschen nicht auf, ihre „Liebe“ zu demonstrieren. Manchmal sogar im
Wissen, dass es dem Pferd unangenehm ist. „Da muss er eben durch“, heißt es dann schmunzelnd als wäre es ein Partner der neckisch liebkost.
Aber: Muss er das wirklich?
Wäre es nicht vielmehr ein Zeichen von Liebe, wenn wir die Wünsche und Abneigungen unseres Pferdes respektieren – und Nähe nur in den Formen zulassen, die auch für das Pferd angenehm und
angemessen sind?
Liebe bedeutet Respekt
Für mich gehört zur Liebe immer Respekt. Die Bedürfnisse des anderen anzuerkennen, ist ein unerlässliches Zeichen von Liebe. Das Gegenüber darf das sein, was es ist – in diesem Fall: Pferd.
Ich sage es immer wieder: Ein Pferd liebt uns nicht für das, was wir sind, sondern für das, wie es sich in unserer Obhut fühlt. Das hat mit uns persönlich absolut gar nichts zu tun.
Kommen wir Menschen mit dieser Erkenntnis klar? Ich glaube: oft nicht.
Denn ein Pferd wird nicht immer aus dem Grund gekauft, „ein Freizeitpartner“ zu sein. Manchmal steckt unbewusst viel mehr dahinter, wofür das Pferd dann im Alltag geradestehen muss. Und hier
wird die Frage nach Fairness dringend: Wie viel darf ich eigentlich von meinem Pferd verlangen?
Nur weil ich Besitzer bin und alle Rechnungen bezahle? Vorsicht! Wer sagt „Ich liebe mein Pferd so sehr“ und gleichzeitig einfordert, dass es sich lieben lässt – mit allen menschlichen
Konsequenzen – verwechselt Liebe mit Bedürfnisbefriedigung.
Das Pferd als Spiegel, oder gar Therapeut?
Wenn ich meinem Pferd Liebe zeigen will, dann behandle ich es mit Respekt und Demut – ohne es zu vermenschlichen.
Ein Pferd braucht Klarheit, um sich sicher zu fühlen. Kann ich sie ihm geben, wenn ich alles, was es tut, nur als Spiegel meiner eigenen Psyche sehe? Wenn ich nicht erkenne, dass mein Pferd
gerade die beste Version von mir braucht – und nicht eine emotional aufgelöste Amazone, die ihre eigene Persönlichkeitsentwicklung auf seinen Rücken legt?
Wenn ich mein Pferd liebe, dann akzeptiere ich: Es ist ein Fluchttier. Es hat andere Bedürfnisse und Gefühle als ich. Möchte ich, dass es sich wohlfühlt, dann muss ich ihm Gelegenheit geben,
seinen Pferdecharakter auszuleben.
Pferde bauen Frustration, Aggression oder Resignation auf, wenn sie nicht wie Pferde behandelt werden. Oft ist es nicht grobes Fehlverhalten, sondern die Unklarheit, die aus Verwöhnen und
Verhätscheln entsteht.
Natürlich reagiert das Pferd auf uns – aber nicht so, wie wir es uns manchmal romantisch zurechtlegen. Es zeigt uns Schwächen, wenn wir mit zu wenig Energie kommen. Es reagiert nervös, wenn
wir nervös sind – nicht, weil es Mitgefühl hat, sondern weil wir Gefahr signalisieren.
Das ist keine „Therapie“ – das ist schlicht Überleben.
Ich möchte Pferde damit nicht schlechtmachen. Im Gegenteil: Ich möchte Bewusstsein schaffen. Pferde sind einfach. Wir sind die, die alles kompliziert machen.
Streben wir an, dass sich Pferde mit uns wohlfühlen, dann sollten wir anfangen, ebenso einfach zu denken wie sie. Respekt zeigen. Pferd sein lassen. Klarheit und Sicherheit geben.
Widerstand oder Aufbäumen während der Arbeit – oder auch schlechte Zusammenarbeit – nehmen wir Menschen oft persönlich. Frust und Enttäuschung sind die Folge. Doch ein Pferd denkt nicht
pädagogisch, nicht psychologisch, nicht therapeutisch.
Es will überleben. Punkt.
Und es findet Menschen, die souverän und klar sind, anziehend. Menschen, die fahrig und unklar sind oder gar weich weil voller Liebe empfindet es, wenn Klarheit und Sicherheit dabei verloren
gehen als abstoßend.
Also: Lasst uns für unsere Pferde gute Pferdemenschen werden.
Und unsere eigenen Themen lieber beim Therapeuten klären.
Denn: Respekt und Demut bringt man dem Pferd entgegen, indem man es als Pferd behandelt – und nicht als Mensch.
In diesem Sinne und im Sinne des Pferdes!
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