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Wie wichtig ist Training, wenn es nicht darauf ankommt?

Wie wichtig ist Training, wenn es nicht drauf ankommt?

Ich hatte mal wieder eine meiner PferdeLeben-Gruppen zu Besuch auf dem Sonnenhof. Eine ganze Woche Eintauchen in die Philosophie Im Sinne des Pferdes. Dank des Ausbildungsstands konnten wir tiefer einsteigen als in vielen anderen Kursen – intensiver, feiner, ehrlicher.

Das Wetter war typisch deutscher Sommer: mal Sonne, mal Regen, mal Sturm. Nachdem bereits drei Pferd-Mensch-Paare gearbeitet hatten, beschlossen wir spontan, noch ein viertes Pferd zu holen – der Himmel war gerade blau, die Sonne schien, aber für den Nachmittag war ein Wetterumschwung angekündigt.

Kaum war Ute mit Fürst auf dem Platz, ging es los. Fürst war spürbar aufgeregt. Wer ihn kennt, weiß: Hoch im Blut, sehr sensibel – und manchmal schnell außer sich. Keine zehn Minuten später färbte sich der Himmel schwarz, ein Sturm brach los, und die Temperatur fiel schlagartig um mindestens zehn Grad. Fürst spürte diesen plötzlichen Wandel deutlich – er war heftig in Wallung. Ihn in diesem Zustand einfach zurückzubringen, war keine Option.

Ich sagte zu Ute: „Jetzt braucht dein Pferd dich. Klar, präsent, mit Struktur und vielen sinnvollen Aufgaben.“ Also begleitete ich sie – mit vielen Vorschlägen, wie sie Fürst immer wieder neue Fragen stellen, ihn beschäftigen, vom Wetter ablenken und mit neuen Impulsen geistig binden konnte. Ute war voll da. Hochkonzentriert, glasklar, kreativ in ihrer Präsentation. Ich habe sie selten so präzise erlebt – so klar in ihrem Denken, so fein im Timing.

Es lag eine besondere Spannung in der Luft. Die anderen Teilnehmer hatten sich längst zurückgezogen, eingekuschelt in Decken, unter dem Vordach der Scheune, von dort aus beobachtend. In solchen Momenten kann ich nicht weit weg sein. Es ist, als müsste ich mit den beiden im Gefühl bleiben, um wirklich spüren zu können, was als Nächstes gebraucht wird.

Weder Ute noch ich nahmen den aufkommenden Hagel wirklich wahr – es war, als würde die Welt untergehen.
Und Fürst?

Er blieb bei Ute. Im Dialog. Führte die Bewegungen aus, die sie sich wünschte. Reagierte weder auf den Hagel noch auf den Sturm. Es war fast magisch – als wären die beiden in einer Blase, als hätten sie alles andere ausgeblendet.

Wunderschöne, konzentrierte Pferdearbeit – weiche Übergänge, echtes Miteinander, sichtbar gelebte Einheit – mitten im Hagelsturm. Ich verlor völlig das Zeitgefühl. 20, vielleicht 30 Minuten später war der Spuk vorbei. Die Sonne kam zurück, der Himmel war wieder blau, und es wurde sofort wieder warm – als wäre nichts gewesen.

Später sagte Ute, es sei die beste Einheit gewesen, die sie je mit ihrem Wallach erlebt habe.
Und Fürst? Stand gelassen da, entspannt und wirkte sogar zufrieden.

Was hat das ausgelöst?
Wie wichtig ist es, wichtig zu sein?

Wer kennt das nicht: Der Stopp klappt im Training eher mittelmäßig – aber sobald es ernst wird, etwa beim Überqueren einer stark befahrenen Straße, funktioniert er plötzlich wie aus dem Lehrbuch.
Woran liegt das?

Es liegt an uns. An unserer Präsentation.
Denn das Pferd weiß nicht, wann es „zählt“ und wann nicht – aber es spürt den Unterschied in uns.
Unsere Energie, unser Fokus, unsere Körpersprache – alles verändert sich. Und das Pferd reagiert darauf.


Aber: Ist das fair, im Training weniger präsent, weniger klar zu sein, wenn wir es doch von unseren Pferden erwarten?

Ich frage mich oft, was wir eigentlich erwarten dürfen – und wann.
Für uns ist Training vielleicht eine Art Vorbereitung – der Ernstfall ist dann etwas anderes. Aber versteht das Pferd diesen Unterschied?

Ich glaube: Wir dürfen nur dann etwas erwarten, wenn wir es mit der selben Ernsthaftigkeit präsentieren, wie im Ernstfall. Wenn wir ein Pferd aus seinem Alltag holen – weg von seinen Freunden, vom Futter, aus dem sicheren Stall –, dann schulden wir ihm, dass wir es mit Bedeutung füllen. Auch die scheinbar langweiligsten Übungen, Sinnbefreit, Runde um Runde auf dem Reitplatz laufen. Gerade dann!

Denn das Pferd spürt, wenn etwas wichtig ist. Und wenn wir ihm diese Wichtigkeit vermitteln, fühlt es sich wichtig. Wacher. Präsenter.
Wer genau hinsieht, erkennt das immer wieder: Pferde, die ohne Ziel, ohne Sinn über den Platz schlurfen – gedanklich längst woanders.
Aber: Auch ein Reitplatz kann Sinn stiften, wenn der Mensch bereit ist, Bedeutung hineinzulegen. Wenn wir mit echter Präsenz, mit innerem Anliegen und klarer Führung agieren – wird das Pferd lebendig ist wach und dabei. Sind wir nicht dazu in der Lage, haben wir es nicht verdient, dass unser Pferd sich für uns bemüht.

Fürst fand es jedenfalls super! Ihm war der Hagel total egal.

Das sind wir unseren Pferden schuldig. Für unser Pferd ist jeder Tag ein Ernstfall.

Bleiben wir also dran – präsent, ehrlich und bedeutungsvoll.
Im Sinne des Pferdes.

 

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