Gelernt ist gelernt – beim Pferd auch?
Wie oft muss ich etwas mit meinem Pferd üben, damit es nicht vergessen wird?
Die Antwort darauf hängt stark davon ab, wie ich mit meinem Pferd arbeite.
Ich adressiere nicht zuerst den Körper, sondern die Gedanken meines Pferdes. Ich lade es ein, mitzudenken. Wenn ich seine Aufmerksamkeit habe – seine Gedanken – folgt der Körper fast wie von
selbst: leicht, korrekt und schön.
Ich schicke mein Pferd – ich treibe es nicht. Zumindest meistens. Aber das ist eine andere Geschichte …
In meiner Arbeit ist es mir wichtig, dass mein Pferd nicht nur funktioniert, sondern wirklich mitdenkt. Ich möchte kein Knopfdruck-Pferd, das konditioniert Bewegungen abspult, weil es
sie auswendig gelernt hat.
Ich möchte, dass es Zusammenhänge erkennt, dass es lernt zu kombinieren, zu verstehen, Schlüsse zu ziehen. Das ist ein ganz anderes Lernen – nachhaltig, tief verankert, sinnvoll.
Warum ist mir das so wichtig?
Weil ich es mit einem fühlenden, denkenden Wesen zu tun habe.
Weil es unsere Verbindung stärkt, wenn ich mein Pferd wirklich mit einbeziehe – und nicht nur „benutze“. Weil ein mitdenkendes Pferd sich erinnert. Nicht mechanisch, sondern aus echtem
Verständnis heraus. Weil ich dadurch einen selbstbewussten, interessierten Partner an meiner Seite habe – statt eines willenlosen Erfüllungsgehilfen.
Ein Pferd, das auf diese Weise lernt, vergisst nicht. Auch nicht nach einer Pause wegen Krankheit, Urlaub oder einfach, weil das Leben dazwischenkommt. Ich muss dann nicht wieder bei null anfangen – wir knüpfen einfach an. Weil echtes Verständnis bleibt.
Unser Miteinander ist ein Dialog.
Ich frage – mein Pferd antwortet. Und aus seinen Antworten lese ich nicht nur das Können, sondern auch das Fühlen. Seine Tagesform, die Interesse an meiner Kommunikation, den
Wichtigkeitsstatus den ich für mein Pferd habe.
Es ist wie mit einem guten Freund:
Ich muss ihm nicht jedes Mal von Neuem meine Lieblingsmusik erzählen – er kennt sie, auch wenn wir uns eine Weile nicht gesehen haben. Und trotzdem wird unsere Beziehung natürlich intensiver,
wenn wir regelmäßig Zeit miteinander verbringen.
Gerade bei jungen Pferden in Ausbildung ist eine gewisse Kontinuität wichtig – für eine solide Basis. Aber auch hier arbeite ich mit dem Geist des Pferdes, nicht nur mit seinem Körper. Der Körper zeigt mir lediglich, ob ich die Gedanken erreicht habe.
Diese Art des Arbeitens ist nichts für nebenbei. Sie braucht Zeit, Präsenz und echtes Interesse.
Es erfordert meine Aufmerksamkeit, genau wie die des Pferdes, es ist nicht was ich nebenbei, während ich mit meiner Freundin quatsche erledige.
Denn der Körper meines Pferdes erzählt mir, wie es ihm geht. Seine Bewegungen, seine Reaktionen, seine Mimik zeigen mir, ob ich mit meiner Frage wirklich durchgedrungen bin. Ob ich für mein Pferd wichtig bin – oder nur irgendein Geräusch in der Kulisse.
Das bestimmt meine nächste Frage. Denn jede Frage sollte sinnvoll sein, klar formuliert, im richtigen Moment gestellt – und angepasst an das, was mein Pferd mir gerade erzählt.
Das ist nicht einfach. Es braucht Einfühlungsvermögen – welche Frage führt uns jetzt weiter?
Es braucht Kreativität – denn immer gleiche Fragen langweilen. Und es braucht Wachsamkeit – die kleinen Signale entscheiden oft über die großen Fortschritte.
Und schließlich: gutes Timing. Denn das ist der Schlüssel zu klarer Kommunikation. Immer.
Bevor ich einfach mein tägliches Soll abspule – egal, wie ich drauf bin – frage ich mich lieber: Was braucht unsere Beziehung heute? Bin ich down, erschöpft oder innerlich nicht präsent,
dann mute ich das meinem Pferd nicht zu. Vielleicht gehen wir stattdessen einfach nur eine kleine Runde spazieren.
Etwas, das uns beiden gut tut – ohne Druck, ohne Anspruch, aber mit echtem Miteinander.
Denn echte Verbindung beginnt nicht im Training – sondern in der Haltung, die ich meinem Pferd gegenüber einnehme. Jeden Tag neu.
Denn am Ende zählt nicht, wie es aussieht, sondern wie es sich für das Pferd anfühlt.
Nicht, was wir glauben, erreicht zu haben – sondern ob unser Pferd bei uns aufatmen kann.
Echte Entwicklung beginnt dort, wo wir aufhören, unser Ego zu füttern – und anfangen, dem Pferd zuzuhören.
Im Sinne des Pferdes heißt: aufmerksam dem Pferd begegnen, klar und weich bleiben.
#ImSinneDesPferdes
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