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Wenn Stress zur Normalität wird- und keiner mehr hinsieht

 

Wenn Stress zur Normalität wird – und keiner mehr hinsieht

Manchmal frage ich mich, ob Pferde früher weniger gestresst waren. Oder war ich damals einfach nur noch blind dafür? Vielleicht war mein Blick nicht geschult genug, mein Verständnis nicht tief genug, um all die feinen, leisen Zeichen wahrzunehmen. Vielleicht war ich – wie so viele – einfach gutgläubig und habe Symptome übersehen, weil ich sie nicht einordnen konnte.

Heute sehe ich sie überall: Stress, Anspannung, Überforderung – in jeder Reitweise, in jedem Stall. Egal ob im Profisport oder bei ehrgeizigen Freizeitreitern (und auch bei weniger ehrgeizigen Freizeitreitern) , bei Turnierpferden, im Horsemenship oder selbst beim Wanderreiten, wo man doch eigentlich meinen sollte, dass Pferde hier dem natürlichen Leben am nächsten sind. Aber auch dort, werden Pferde übergangen, ihre Bedürfnisse nicht gesehen, ihr Stress Verhalten falsch gedeutet.  Es geht immer höher, weiter, perfekter – und am Ende zahlen die Pferde den Preis.

Es sind nicht nur die großen Shows und Messen, bei denen sich Jahr für Jahr gegenseitig überboten wird. Auch auf kleinen Reitplätzen, im normalen Unterricht, ist der Leistungsdruck spürbar. Es scheint oft gar nicht mehr um Verbindung oder Vertrauen zu gehen, sondern darum, wer spektakulärer reitet, wessen Pferd beeindruckender „funktioniert“. Doch kaum jemand fragt noch, wie es dem Pferd wirklich geht – ob das, was es da zeigt, aus echter Bereitschaft kommt oder aus purer Überforderung.

Haben wir verlernt, Stress zu erkennen? Oder haben wir uns so sehr daran gewöhnt, dass er uns gar nicht mehr auffällt?

Vor einiger Zeit gab ich Unterricht in einer Halle, parallel zu einer anderen Reitlehrerin. Eine kleine Fuchsstute fiel mir sofort ins Auge: Der Sperrriemen war brutal eng verschnürt, und dennoch hing ihre Zunge schlaff und voller Schaum zur Seite – sie schlackerte bei jeder Bewegung, als gehöre sie gar nicht zu ihr. Für mich war das ein stummer Hilfeschrei. Doch weder die Reitlehrerin noch die Reitschülerin schienen irritiert. Niemand stellte infrage, warum dieses Pferd sich so benahm. Als wäre es normal.

Ein anderes Mal war ich auf einem Reitplatz, um einen Sattel auszuliefern. Vier Pferde wurden gleichzeitig geritten, und eines davon – ein zierlicher Araberwallach – fiel mir besonders auf. Sein Schweif stand steil nach oben, ebenso der Kopf, während der Reiter schwer in den Sattel plumpste und stark am Zügel zog. Bei jedem Tempowechsel stieß das Pferd ein dumpfes Grunzen aus. Immer wieder. Als ich vorsichtig fragte, ob mit dem Pferd alles in Ordnung sei, bekam ich zur Antwort: „Ach, das macht der immer.“ Auch das ist inzwischen wohl „normal“.

Ich kenne einen Connemara, der jedes Mal nach dem Seil schnappt und darauf herumkaut, wenn er keine Orientierung bekommt. Viele halten das für eine blöde Angewohnheit – ich sehe darin ein klares Stressverhalten. Sobald er versteht, was von ihm erwartet wird, beruhigt er sich. Sein Maul entspannt sich, sein Blick wird weich.

Andere Pferde zeigen übermäßiges Blinzeln – auch das kann ein Hinweis auf inneren Druck sein. Und dann sind da noch die Pferde, die nur noch schlurfend ihre Runden drehen, mit halb geschlossenen Augen, der Körper funktioniert mechanisch, doch der Geist ist längst woanders. Auch das ist Stress – tiefer, stiller, oft übersehen. Und besonders traurig, wenn man bedenkt, dass dieser Zustand häufig durch Menschen verursacht wird, die sich einst selbst als Pferdeliebhaber bezeichnet haben. Manche sind es vielleicht immer noch – ihnen fehlt schlicht das geschulte Auge und das Bewusstsein. Andere haben das Pferd längst zum Mittel zum Zweck gemacht.

Stress hat viele Gesichter. Manche laut, manche leise. Manche eindeutig, andere subtil. Doch er ist da – und alles andere als harmlos.

Stress ist einer der Hauptgründe für Magengeschwüre. Studien zeigen, dass 60 bis 90 Prozent der Sportpferde davon betroffen sind – bei Galopprennpferden liegt die Quote sogar bei über 90%.  Aber auch Freizeitpferde sind gefährdet: Je nach Haltung, Fütterung und Umgang entwickeln zwischen 25 und 50 Prozent von ihnen Magengeschwüre – ganz ohne „Leistungssport“. Gerade hier spielen mangelnde Fachkenntnis, fehlende Klarheit und emotionale Verwirrung eine tragende Rolle.

Es wäre einfach, nun die Schuld allein den Reitern zuzuschieben – und ja, sie tragen sicherlich einen großen Anteil daran, sei es bewusst oder unbewusst. Doch wir dürfen nicht vergessen: Auch Richter und Zuschauer haben ihren Anteil. Denn viele von uns unterstützen das System, das immer spektakulärere Bilder sehen will – auch wenn sie auf Kosten der Pferde entstehen.

Wer würde denn heute noch Eintritt bezahlen für eine Show, in der ein Pferd locker in drei gesunden Grundgangarten läuft – mit gespitzten Ohren, weichem Blick, entspannter Oberlinie und lockeren Lippen? In der die Übergänge geschmeidig und schwungvoll erfolgen, ohne Schweifschlagen oder abruptes Kopf hoch reißen?
Es klingt wie eine Selbstverständlichkeit – ist aber längst zur Rarität geworden. Kaum jemand applaudiert dafür. Dabei ist es doch genau das, was wir als Reiter eigentlich anstreben sollten.

 Was denkst du? Hast du solche Situationen auch schon erlebt? Oder kennst du Pferde, die still leiden – und niemand sieht es?
Lass uns hinschauen. Und austauschen. Im Sinne des Pferdes.
Ich freue mich auf deine Gedanken in den Kommentaren.

Back to the roots – es wird höchste Zeit.
Im Sinne des Pferdes.

 

 

Lass uns gemeinsam #hinschauenstattwegsehen und lernen, #stresszeichenpferd rechtzeitig zu erkennen. Es ist Zeit für mehr #achtsamkeitmitpferden und echte #verbindungstattleistung. Denn nur mit #feinehilfen, #vertrauenstattzwang und einem geschulten Blick können wir #pferdeverstehen – tief, ehrlich und im #sinnedespferdes.
Wir brauchen eine #reitkulturneudanken, die #fairfürspferd ist, mit #horsemanshipmitgefühl statt Druck und Drill.
Denn wahre Stärke liegt im #zurückzudenwurzeln.

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