„Heiß – warm – kalt – warm“
Wen erinnert das an Topfschlagen?
Manchmal stelle ich mir Pferdetraining tatsächlich vor wie dieses uralte Kinderspiel: Topfschlagen. Wer kennt es noch?
Ein Kind bekommt die Augen verbunden und einen Kochlöffel in die Hand. Dann geht es auf allen Vieren los – langsam, tastend, den Löffel voraus – auf der Suche nach dem einen Topf, unter dem sich
ein kleiner Schatz verbirgt. Etwas Leckeres. Etwas, das sich lohnt.
Während das Kind sich suchend durch den Raum bewegt, bekommt es Rückmeldung von den anderen. Je nachdem, ob
es dem Ziel näherkommt oder sich davon entfernt, rufen sie: „Warm!“, „Heiß!“, „Kalt!“, „Eiskalt!“ – ein einfaches, kindliches, aber unglaublich wirkungsvolles Feedback-System.
Wenn ich an Pferde denke, die auf der Suche nach der richtigen Lösung sind, wünsche ich mir für sie genau das: eine Rückmeldung, die sie nicht bestraft, sondern unterstützt. Eine, die ihnen sagt:
„Du bist auf dem richtigen Weg.“ Oder: „Guter Versuch – schau noch einmal genau hin.“ Oder auch: „Hier geht’s gerade nicht weiter.“
Solches Feedback gehört für mich zu gutem Pferdetraining einfach dazu.
Und dieses Feedback kann – ganz fein – durch das Gefühl im Seil geschehen.
Je nachdem, wie ich meine Hand schließe oder öffne, sie hebe oder senke, drehe, nachgebe oder etwas mehr Zug aufbaue, entsteht zwischen uns eine Sprache, die ganz leise sagt:
„Du bist nah dran.“
„Das war ein guter Gedanke.“
„Schau dich noch mal um – da geht’s nicht weiter.“
Ein Pferd, das sich auf die Suche macht, tut das nicht, weil es stur oder unsicher ist – sondern weil es einen Gedanken, an dem es bisher festgehalten hat, loslässt.
Es entscheidet für sich, dass das, was es gerade tut, nicht mehr stimmig ist.
Und in diesem Moment öffnet sich ein Raum. Ein Raum, in dem neue Ideen entstehen dürfen – Ideen, die sich besser anfühlen. Klarer vielleicht. Oder weicher. Oder einfach richtiger.
Es liegt an mir, ob und wie ich meinem Pferd helfen kann, diesen Raum zu betreten.
Frage ich zum Beispiel über das Seil, ob es dem sanften Zug folgen kann, dann ist die Antwort darauf nicht einfach nur schwarz oder weiß. Der Weg zur Lösung kann vielschichtig, weich und
feinstufig sein.
Nicht nur das Annehmen sollte mit Gefühl passieren – auch das Nachgeben will bewusst geschehen.
Wenn ich das Seil, in dem eben noch ein klares Gefühl von Vorwärts lag, einfach fallen lasse, weil mein Pferd einen Schritt auf mich zu macht, fühlt sich das an, als hätte ich mitten im Gespräch
abrupt den Hörer aufgelegt.
Die Verbindung reißt ab.
Diese Erfahrung habe ich kürzlich beim Verladen gemacht.
Ich baute leichten Zug auf, gab ein klares, feines Gefühl ins Seil – nicht mehr, nicht weniger. Das Pferd hielt inne, dachte einen Moment nach … und folgte dann tatsächlich diesem Gefühl.
In meinem Bestreben, ihm ein deutliches Feedback zu geben – „Wenn du dem Gefühl im Seil nachgibst, verschwindet der Zug“ – ließ ich voller Freude zu schnell los.
Und was machte das Pferd? Es ging sofort wieder rückwärts.
Ich spielte ein wenig mit dieser Situation. Gab sanft nach, aber nicht so, dass das Gespräch zwischen uns abbrach. Ich blieb präsent – in Verbindung.
Und schon nach kurzer Zeit folgte das Pferd dem Gefühl im Seil ganz selbstverständlich, Schritt für Schritt, in den Anhänger.
Ohne Stress. Ohne Zwang. Einfach in feiner Beziehung.
Es ließ sich ruhig verladen – als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.
Natürlich ist Timing in solchen Momenten das A und O.
Aber ebenso entscheidend – vielleicht sogar noch wichtiger – ist die Intention, mit der ich das Gefühl ins Seil gebe.
Meine Hände übertragen durch das Seil eine Nachricht an das Pferd.
Und was das Pferd daraus macht, zeigt mir, wie klar ich wirklich war.
Für mich beginnt gute Pferdearbeit genau dort – im Lauschen, im Spüren, im feinfühligen, klaren Antworten.
Und was ist mit der Motivation, die sich unter dem Topf versteckt?
In dieser Arbeit – wer hätte es gedacht – geht es nicht um Leckerli.
Wir finden keinen Zuckerschatz, keine Belohnung im herkömmlichen Sinn.
Was wir finden, ist: Vertrauen durch Klarheit, Verbindung durch weiche klare Kommunikation, Beziehung durch das Gefühl von Sicherheit.
Dieses Pferd im Anhänger war am Ende so weich in der Hand, dass es sich von mir überall hinführen ließ – den Kopf gesenkt, zur Seite gedreht, ganz gleich, was ich fragte.
Er war mit dem, was ich sagte, völlig im Reinen.
Und genau das ist für mich echte Beziehung. Denn genau darum geht es – nicht um Technik, nicht um Gehorsam, sondern um echte Verbindung, feines Zuhören und liebevolle Klarheit.
Im Sinne des Pferdes.
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