Warum Dein Pferd Dich nicht austrickst

Warum dein Pferd Dich nicht austrickst – und was wirklich dahintersteckt
Vor ein paar Tagen wurde ich Zeugin einer Sattelausmessung. Da ich das selbst im Rahmen meiner ganzheitlichen Sattelberatung mache (hier geht’s zum Post:
Abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass eine Messung, die ausschließlich im Stand und nur mit vier korrekt stehenden Füßen durchgeführt wird, ausreicht – schließlich sitzen wir ja nicht auf einem stillstehenden Denkmal, sondern möchten unser Pferd in allen Gangarten reiten – ging es mir um etwas anderes.
Die Messung zog sich ziemlich lange hin, und eines der Pferde begann immer vehementer, ein Hinterbein zu entlasten. Die Fachfrau reagierte, indem sie den Schweif leicht in Richtung des entlastenden Beines zog. Die Vehemenz nahm zu, also wurde der Schweif kräftiger gezogen, um zu korrigieren. Als dann plötzlich der Schweif so ruckartig nach rechts gezogen wurde, dass das Pferd kurzfristig das Gleichgewicht verlor und alle vier Beine neu sortieren musste, mischte ich mich ein und schlug vor, dem Pferd vielleicht eine kleine Pause zu gönnen, damit es sich wieder stabilisieren kann. Ich bot sogar an, es kurz auf dem Reitplatz zu bewegen, um es vielleicht wieder durchlässig zu machen.
Die Antwort, die ich bekam – die bestimmt viele von euch schon mehrmals gehört haben –, ließ mich sprachlos zurück. Von der hatte ich gehofft, dass sie längst ausgestorben ist. Sehr prompt und überzeugt kam sie:
„Nein, das ist nicht nötig, der weiß genau, was ich will, der will mich nur austricksen!“
Oha. Da hatten wir es also mit einem Exemplar zu tun, das sehr von sich überzeugt ist, aber wenig von der Psyche des Pferdes versteht.
Ich sagte ruhig:
„Ich glaube nicht, dass Pferde das Konzept des ‚Austricksen‘ in sich tragen – sie handeln nicht aus Absicht, sondern aus Gefühl.“
In meiner Welt veräppeln Pferde nie! Pferde sind ehrlich, sie gehen den Weg des geringsten Widerstands, sie möchten mit uns in Harmonie leben, sie möchten sich sicher fühlen, sie möchten Klarheit.
Eine derartige Behauptung gibt dem Menschen vor allem eines: eine bequeme Ausrede, nicht näher hinzuschauen, nicht zu reflektieren, nicht zu überlegen, wie ich es besser, klarer und verständlicher für mein Pferd machen kann. Mit so einer Aussage kann man sich dann ganz entspannt auf seinem Fachwissen ausruhen, ganz nach dem Motto: Ich habe alles richtig gemacht, schuld ist mal wieder das Pferd!
Sie konterte sofort: „Oh nein, da liegst du völlig falsch, Pferde können sehr wohl austricksen, und dieser hier weiß genau was ich möchte!
Da fiel mir ein Satz ein, der hier vielleicht nicht ganz her passt, aber zu gut ist, um ihn nicht zu erwähnen:
„Je dümmer der Mensch, desto überzeugter seine Aussage.“
Ich fand es sehr anmaßend, so schlecht über ein Pferd zu sprechen, das man erstens gar nicht wirklich kennt – immerhin könnten ja auch körperliche oder psychische Schwachstellen der Grund für sein „Widersetzen“ sein. Und zweitens: Hand aufs Herz, wer von uns kann wirklich genau wissen, was ein Pferd denkt? Auch meine Aussagen sind letztlich Vermutungen, basierend auf Erfahrungen und Gelerntem. Wirklich wissen tun es nur die Pferde! Wer also kann solche Behauptungen aufstellen, als wäre das ein unantastbares Wissen?
Ok, jetzt schweife ich ab – zurück zum Thema.
Ich erwiderte erneut ganz ruhig:
„Ich glaube nicht, dass Pferde das Konzept des ‚Veräppelns‘ oder ‚Austricksens‘ in sich haben. Das ist meiner Meinung nach viel zu menschlich gedacht.“
Wieder wurde ich berichtigt: Die Dame betreibt einen Pensionsbetrieb und da hat sie eine Paintstute, die sie täglich testet.
Ich versuchte es noch einmal für die Pferdepartei:
„Dieses ‚Testen‘ und ‚Veräppeln‘ ist menschlich. Es könnte auch sein, dass die Pferde aus mangelnder Klarheit immer wieder die ‚falsche‘ Antwort geben.“
Doch erneut wurde ich überzeugt belehrt:
„Nein, mangelnde Klarheit ist bei mir ausgeschlossen – meine Paintstute weiß immer genau, was ich meine.“
An dieser Stelle beendete ich die Diskussion – nicht, weil ich zustimme, sondern weil ich es leid war, mit … na, ihr wisst schon.
Fazit:
Pferde sind keine kleinen Schlauberger, die uns absichtlich austricksen. Sie reagieren ehrlich, gefühlsbasiert und manchmal eben widersprüchlich – aber immer ohne Hintergedanken. Und das macht sie so wunderbar echt.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0