Es ist der Wunsch nach Sicherheit – und er hat viele
Namen:
Desensibilisierung, Schrecktraining, Aussacken oder Spooky Training.
Im Kern geht es immer darum, dem Pferd möglichst viele
Reize zu präsentieren –
mit dem Ziel, dass es sie nicht mehr fürchtet.
Doch genau hier beginnt der entscheidende Unterschied.
Das Wort allein sagt es schon:
Desensibilisierung – die Abwesenheit von Sensibilität.
Was für die einen ein Trainingserfolg ist,
ist für die anderen der stille Verlust von Lebendigkeit.
Ein Pferd, das nicht mehr scheut,
ist nicht zwangsläufig eines, das Vertrauen gefunden hat.
Manchmal ist es einfach nur eines, das resigniert hat.
Ein Pferd, das gelernt hat, auszuhalten, stillzustehen, abzuschalten.
Wenn man es damit übertreibt, wird das Lebendige stumm, das Feine stumpf, das Zarte hart.Im Grunde geht es bei der Desensibilisierung darum, dem Fluchttier Pferd seinen natürlichen Impuls abzutrainieren, vor dem Unbekannten zu fliehen.
Natürlich ist es legitim, einem Pferd beibringen zu wollen, nicht bei jeder Kleinigkeit panisch zu reagieren. Doch muss man es deshalb desensibilisieren?
Wir brauchen keine Pferde, die alles ertragen. Denn im Ertragen steckt eine leise, aber deutliche Botschaft:
„Ich halte es aus – obwohl es sich nicht gut
anfühlt.“
„Ich füge mich – weil ich keine Wahl habe.“
Das ist kein Lernen. Und das ist auch kein Vertrauen. Das ist innerer Rückzug aus Gehorsam.
Ein Pferd, das wirklich lernt, dass es keine Angst
haben muss,
zeigt Interesse. Es schaltet nicht ab. Es lässt Dinge nicht einfach über sich ergehen. Es atmet anders, schaut dich an – wirklich – mit wachen, offenen Augen.
Es setzt sich mit seiner Umwelt auseinander.
Es steht nicht einfach nur da mit gehängtem Kopf und halb geschlossenen Augen. Denn das wäre keine Entspannung, sondern Resignation. Der Unterschied ist gewaltig – vor allem für das Pferd.
Ein Pferd, das mental durchlässig ist, bleibt
gelassener. Nicht, weil es „alles kennt“ –
sondern weil es vertraut. Weil es in sich ruht. So ein Pferd kann fremden Dingen begegnen,
ohne dass sein Nervensystem sofort Alarm schlägt.
Nicht, weil es stumpf gemacht wurde – sondern weil es
sich selbst vertraut und uns.
Weil es nicht unterdrücken, sondern verarbeiten darf.
Gelassenheit ist kein Zufall.
Und sie ist schon gar kein „Wegtrainieren“ von
Angst.
Sie ist das Ergebnis von echter innerer Stärke. Von Selbst-Bewusstsein –
im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Pferd, das frei von Sorge ist,
kann sich entspannter in der Welt zurechtfinden.
Denn Sorge und Angst sind keine guten Lehrer. Ein solches Pferd hat vielleicht nicht alles gesehen – aber es weiß, wie es mit Neuem umgehen kann: Neugierig. Offen. Locker.
Und genau deshalb bleibt es ruhig,
selbst wenn draußen mal etwas flattert.
Der Haken an der Desensibilisierung?
Du kannst dein Pferd nicht auf alles vorbereiten, was ihm da draußen begegnen könnte. Nicht auf jeden flatternden Schatten. Nicht auf jedes ungewohnte Geräusch. Nicht auf jede plötzliche Bewegung. Heute ist es der Mensch mit Regenschirm. Morgen der Holzstapel mit flatternder Plane.
Und genau das ist das Problem:
Wenn der Fokus nur darauf liegt, Reize „wegzutrainieren“, vergisst man das Entscheidende:Wahre Sicherheit kommt nicht von außen. Sie kommt von innen. Von innerer Gelassenheit.
Ein Pferd, das innerlich ruhig ist, muss nicht jede Mülltonne kennen. Nicht jeden Ball, Kinderwagen oder Regenschirm. Denn es hat gelernt, mit dem Unbekannten umzugehen.
Darum geht es:
Nicht um ein Pferd, das „alles erträgt“,
sondern um ein Pferd, das innerlich stabil ist.
Klar. Durchlässig. Präsent, gelassen.
Eines, das auf neue Eindrücke nicht mit Panik,
sondern mit Verarbeitung reagiert.
Wenn die Psyche stark ist, wird die Welt weniger bedrohlich.
Dann ist Gelassenheit kein Produkt von endlosem
Reiztraining,
sondern das natürliche Ergebnis von innerer Ordnung.
Wie immer:
Ganz im Sinne des Pferdes.
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