Emotionen im Pferdetraining – Segen oder Fluch?
Letzte Woche hatte ich wieder meine PferdeLeben Staffel 7 bei mir zu Gast. Und wie immer gab es sehr tiefe Gespräche und Diskussionen. Übrigens liebe ich es, wenn meine Schüler, Dinge auch mal in Frage stellen, wir diskutieren, Sachen hinterfragen. Das ist mir 1000 mal lieber als wenn sie ihre Bedenken und Unsicherheiten für sich behalten. In einem Gespräch in der man sich traut, Dinge anzusprechen ist viel Potenzial für Klarheit, denn die ist nicht nur für Pferde wichtig.
Es ist ein immer wieder kehrendes Dilemma dass das Harmonie Bedürfnis des Menschen und das Grundbedrüfnis für Klarheit und Sicherheit der Pferde sich im Wege stehen, dem Training nicht dienlich sind und das Pferd verwirrt zurück gelassen wird.
Hier der Spoiler:
Pferde brauchen uns nicht! Sie brauchen, Klarheit und Sicherheit.
Pferde lieben uns nicht! Sie lieben Sicherheit und evtl. das Gefühl das sie haben wenn wir mit ihnen in ihrem Sinne Arbeiten.
Pferde vermissen uns nicht!
Pferde brauchen keine Vertraute Person! Sie benötigen jemand, der ihnen klare Führung gibt.
Das heißt nicht, dass Pferde nicht in der Lage sind, gewisse Menschen als angenehm zu empfinden, wobei ich glaube dass es in erster Linie die Menschen sind, die Sicherheit und Klarheit ausstrahlen, die ein Pferd (wenn es denn könnte) bevorzugt. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass es gerade nicht um Konditionierung durch Futterlob und die daraus resultierenden Reaktionen eines Pferdes auf den Menschen geht. Ich rede von Beziehungen zwischen Mensch und Pferd ohne Einfluss von Leckerli oder Futtergabe. Und ich möchte an dieser Stelle auch darum bitten, sich Beispiele ins Bewusstsein zu holen, die nicht mit Leckerli zu tun haben.
Also noch mal: Es geht hier nicht um Futterlob oder Leckerli.
Für uns Menschen hingegen sieht die Welt ganz anders aus.
Wir wollen geliebt werden. Wir möchten eine Partnerschaft mit unserem Pferd. Auf einer harmonischen Basis, dies geben wir vor, dies soll das Pferd bitte erfüllen.
Wir sehnen uns danach, dass unser Pferd bei uns sein will, uns wählt. Und genau da beginnt das Dilemma.
Aus Angst, diese zarte Verbindung zu stören, trauen sich viele nicht, ihrem Pferd so klar zu begegnen, wie es das eigentlich bräuchte.
Sie machen zu wenig. Immer wieder.
Nicht, weil sie ihrem Pferd nicht helfen wollen – sondern weil sie es nicht „vergraulen“ wollen.
Weil sie fürchten, ihr Pferd könnte sie nicht mehr mögen. Und selbst wenn Sie das Konzept der Klarheit halbwegs verstanden haben, hemmt sie der Gedanke, das Pferd mit einer Aktion die zu groß ist
zu verletzen. Die Vorstellung, zuviel Druck auszuüben gleicht einer Horrorvorstellung, oft ist dies mit eigenen Erfahrungen verknüpft und aus diesem Grund unvorstellbar!
Das stille Leiden der Pferde wird akzeptiert.
Der klare Impuls, der es beendet, wird verurteilt.
Wie oft habe ich von Kursteilnehmern, die vor vielen Jahren ein traumatisiertes Pferd gerettet haben, gehört: „wir haben ihm nie etwas schlimmes getan und doch verhält er sich immer noch so wie früher“ „warum kann er uns nicht vertrauen?“
Ich kann dann nur sagen, weil ihr ihn nie erreicht habt. Ihr habt ihm nie die Klarheit gegeben aus der er Sicherheit schöpfen kann. Er muss weiterhin die Verwirrung erleben, weil er nicht versteht was ihr wollt. Der Grund: zu weich, zu unklar, zu inkonsequent.
Was dann entsteht, hat mit guter Pferdearbeit nichts mehr zu tun.
Dann geht es nicht um das Pferd – sondern um den Menschen.
Und das ist – hart gesagt – nicht nur naiv, sondern auch egoistisch.
Im Sinne des Pferdes ist nicht: immer zart zu sein, zu kuscheln. Im Sinne des Pferdes bedeutet, dem Pferd zu helfen in die Klarheit zu kommen. Es ist ein alter weiser Spruch der in vielen Pferdekreisen bekannt ist: so wenig wie möglich, aber auch so viel wie nötig zu tun! Und dass kann in einem Moment nichts, im nächsten Moment alles bedeuten. Wenn ich mit einem Pferd arbeite, werden oft die Handlungen der Kategorie fallen: so wenig wie möglich, vom Menschen, Zuschauern und Pferdebesitzern nicht wahrgenommen. Wohl aber die Dinge aus der Kategorie: so viel wie nötig.
Ich erlebe es oft, dass Menschen nur das „Viel“ sehen.
Die klaren, deutlichen Momente.
Aber die vielen feinen, fast unsichtbaren Schritte davor – die nimmt kaum jemand wahr. Das Pferd aber schon!
Dabei ist mein Maßstab immer derselbe:
Ich tue nie mehr, als nötig ist, um dem Pferd eine neue, hilfreiche Idee anzubieten.
Das erscheint manchen Menschen hart, weil sie das Konzept der kleinen Frage nicht verstanden haben. Wichtig ist:
Ich tue nie mehr, als nötig ist, um dem Pferd zu einem klaren Gedanken zu verhelfen.
Mehr zu tun, wäre unangemessen und das Pferd empfindet es als Strafe!
Weniger zu tun, ist verwirrend und gleicht der emotionalen Misshandlung.
Weil beide Faktoren so wichtig sind für das emotionale Wohlbefinden des Pferdes, werde ich nicht müde es immer und immer wieder zu erklären. Und so lade ich alle ein, die daran zweifeln ins
Gespräch mit mir zu gehen, mich zu hinterfragen, denn am Ende der Session, wenn man das Ergebnis am Pferd sieht, dann sieht man ein Pferd, das mitdenkt, wach und präsent ist und vor allem auch
entspannt ist, weil es versteht um was es geht und nicht in Sorge und Verwirrung sein muss. Aber auch nicht nur im Schlafzimmergang, vermeintlich tiefenentspannt daher schlurft. Denn Pferde gehen
sehr unterschiedlich mit unklarem Handling um. Extrovertierte sind mehr und mehr außer sich, beginnen zu schnappen, erschrecken schnell, sind angespannt. Introvertierte ziehen sich immer mehr in
sich zurück, gehen den Weg des geringsten Widerstands und fahren ihre Energie stark runter. Dieses Verhalten wird oft mit Entspannung verwechselt.
Aus meiner Sicht gibt es keine Ausbildung, die das Pferd aus seinem Dornröschenschlaf holt, ohne ein gewisses Maß an Unruhe. Jedes Training – ob mit positiver oder negativer Verstärkung – erzeugt
im Pferd kurzzeitig das Gefühl:
„So wie ich es gerade mache, ist es nicht mehr die beste Idee.“
Und jetzt wird es interessant:
Es geht nicht hauptsächlich darum, wieviel Druck benötigt wird, sondern um den Moment an dem ein Pferd bereit ist, umzudenken.
Das Maß wieviel ein Pferd braucht um bereit zu sein für das umdenken ist sehr unterschielich, es ist wichtig dieses Maß angemessen anzuwenden. Am Ende kommt es auf das Ergebnis an. Das Pferd zu
erreichen!
Und auch wenn ein Extravotiertes Pferd bereits beim Anheben des Fingers erreicht wird und das introvertierte Pferd einen großen Knall mit dem Sei am Boden benötigt geht es darum die Veränderung im Denken zu erreichen.
Keines der beiden Pferde wurde „schlimmer behandelt“.
Was zählt, ist nicht der äußere Druck – sondern der innere Wandel.
Je früher ich die Veränderung erreiche, umso weniger ist mein Pferd im Zweifeln.
Wenn ein Pferd nach einer Einheit ruhiger, klarer und emotional ausgeglichener ist als davor,
dann ist das für mich die Bestätigung, dass ich ihm durch meine Herangehensweise geholfen habe.
Es bestätigt mich auch darin, dass 1-2 mal groß werden, mehr dem Ziel eines ruhigen klaren wachen Pferdes dient als ein zähes rumnörgeln ohne Ergebnis. Oder besser gesagt mit dem Ergebnis, dass das introvertierte Pferd, sich noch weiter in sich zurückzieht und das Extravertierte Pferd noch mehr außer sich ist.
Wie kommt es dazu, dass man stellen weise so groß werden muss? Hier sollte sich jeder mal an die eigene Nase fassen. Wildpferde haben das nämlich nicht. Oft ist es die Ursache von Jahrelanger unsachgemäßer handhabung, die Pferde so träge oder so drüber werden lassen. Jahre lange Unklarheit aus purer Liebe heraus!
Und genau dass ist es was mich dann im nachhinein so wütend macht, denn ich bin auch nicht gerne so groß beim Pferd. Mein Ziel ist es hochsensibel mit ihnen zu kommunizieren. Denn ich bin der Meinung das ist genau das was Pferde tun. Deshalb kommen sie auch sehr schnell wieder zu diesem Punkt, wenn man mit ihnen klar kommuniziert. Das „groß“ werden ist nur der Übergang, nicht der Dauerzustand.
Man sagt mir manchmal ich sei unfair, weil das Pferd ja gar nicht wissen kann was ich von ihm möchte, wenn ich groß werde. Diese Menschen haben noch nicht verstanden dass mein Groß werden, nicht
dazu dient, etwas abzufragen. Das wäre manipulativ. Mein Groß werden, dient dazu, dass meine kleine Frage die ich zuvor gestellt habe, wichtig wird. Ich sage nicht, dass es falsch ist, langsamer
zu arbeiten, wenn es gerade nicht anders geht.
Aber ich finde es unfair, einem Pferd die Klarheit zu verweigern, nur weil man selbst Angst hat, klar zu werden.
Menschen kommen zu meinen Kursen, mit einer inneren Gewissheit dass irgendetwas nicht stimmt in ihrer Pferd – Mensch Beziehung. Weil ihr Pferd voller alter Spannung und alter Muster steckt.
Und dann, wenn ich tue, was getan werden muss – und mehr Druck anwende, als es ihnen lieb ist –
werden sie traurig, oder wütend, oder urteilen über mich.
Doch kaum jemand fragt sich:
„Wie lange war mein Pferd eigentlich schon in diesem inneren Zustand gefangen, ohne dass ich es bemerkt habe?“ „Wie lange musste mein Pferd in dieser absoluten Verwirrung sein, weil ich meine
Bedürfnisse der Wattebausch Harmonie, auf mein Pferd übergestülpt habe, dass es nun so abgestumpft sein muss?“
Es ist Gesellschaftlich mehr anerkannt einem Pferd mit viel Unklarheit zu begegnen auch wenn das Ergebnis am Pferd ist, dass es sich wegbeamt, immer träger wird, keine Interesse an seiner Besitzerin hat und emotional leidet. Oder ins andere Extrem geht und immer nervöser und unausgeglichener wird.
Aber wenn ich das Pferd aufwecke und dasselbe Pferd das gerade noch komplett abwesend war, plötzlich nach nur wenigen Minuten Arbeit, wach und präsent und gleichzeitig gelassen ist. Dann wird meine Herangehensweise als zu hart verurteilt. Das stille Leiden der Pferde über viele Jahre der Unklarheit, wird akzeptiert, solange man dafür ein gepolstertes Plüschhalfter mit Herzchen drauf kauft. Aber ein kurzes „Hallo wach“ meinerseits um das Pferd aus seinem Leidensweg heraus zu holen wird verurteilt.
Pferde bewerten nicht den Druck.
Sie bewerten das Ergebnis.
Wenn sie am Ende entspannter, klarer, mehr bei sich sind – dann ist es egal, ob wir sanft gewunken oder einmal laut gerufen haben.
Sie bleiben nicht im Moment des Drucks hängen – sondern sie folgen dem, was danach kommt.
Wenn die Klarheit kommt, kommt auch da Wohlbefinden.
Was Pferden schadet, ist nicht der Moment von Druck – sondern fehlende Klarheit.
Oder zu viel Druck, der keine echte Veränderung bringt.
Wer einmal beobachtet hat, wie Pferde untereinander kommunizieren, sieht:
Es ist nie der Druck an sich – es ist immer das Maß und die Absicht dahinter.
Wir alle wünschen uns ruhige, entspannte Pferde.
Wir alle wollen nicht der Grund ihres Kummers sein.
Ich verstehe das. Ich fühle das.
Aber wenn wir unseren Wunsch, „Freund“ zu sein, über das stellen, was das Pferd wirklich braucht –
nämlich Führung, Sicherheit, Klarheit –
dann tun wir ihm keinen Gefallen.
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