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Der Putzplatz

Der Putzplatz
Wieviel Zeit verbringt Dein Pferd mit Dir auf dem Putzplatz? Und wieviel Zeit davon, verbringst Du wirklich mit Deinem Pferd?
Eine blöde Frage? Meinst Du?
Das Putzverhalten in Reitställen ist oft erstaunlich einheitlich, selten besonders einfühlsam – und meist nicht wirklich im Sinne des Pferdes.
Aber bevor Du jetzt weiterlesen willst: Mach mal einen Selbsttest! Schau auf die Uhr, wenn Du Dein Pferd am Putzplatz anbindest. Und dann beobachte: Wie oft bist Du wirklich bei Deinem Pferd?

Ich will ein paar Gedanken zum Anbinden teilen – damit man sich ein klareres Bild machen kann, worum es eigentlich gehen sollte.
Vor vielen Jahren habe ich eine Serie von Filmaufnahmen gemacht, um meine Arbeit mit Pferden zu dokumentieren.
Mehrere Pferde wurden hübsch herausgeputzt – ihr Stall war ein gutes Stück vom Reitplatz entfernt. Damit sie sich dort nicht gleich im Sand wälzen, banden wir sie nebeneinander im Schatten am Zaun an. Eines wurde gefilmt, die anderen warteten.

Es dauerte nicht lange, da kam der erste Einwand: „Ist das nicht eine Zumutung, die da ohne Wasser stehen zu lassen?“
Ich erwiderte, dass Wildpferde oft viele Stunden – manchmal Tage – ohne Wasser auskommen.
Kaum war dieses Argument verdaut, kamen neue Sorgen: „Die Armen können sich ja gar nicht bewegen!“
Also beschlossen wir, sie loszubinden – und sie einfach in der Nähe frei stehen zu lassen.

Was dann geschah, war herrlich: Die Pferde standen einfach weiter da, dösten, entspannten sich. Auch im großen Auslauf laufen Pferde ja nicht stundenlang ziellos herum. Sie ruhen. Und das ist okay so.

Aber – es gibt eben auch andere Szenarien.
Ich sehe es leider viel zu oft: Pferde, die zwei bis drei Stunden am Putzplatz angebunden stehen. Hufe auskratzen, Hufschuhe an, Hufschuhe aus, dann ein bisschen putzen, wieder telefonieren, auf Toilette gehen, ein bisschen plaudern, Kaffee trinken...
Das Pferd steht. Still. Brav. Resigniert.
Der Kopf hängt, die Augen halb zu.

Und während im Stall fröhlich über den Hund, den neuen Sattel oder die letzte Beziehung gewitzelt wird, steht das Pferd da – unbeachtet, geduldig.
Bewegt es sich, wird es gemaßregelt. „Steh still!“
Der Mensch ist da, aber nicht wirklich da.

Neulich erzählte mir ein Freund etwas, das mir noch immer aufstößt:
Wir waren in der Schweiz, auf einem Demeter-Hof mit Freiberger-Zucht. Die Pferde lebten auf großzügigen, hügeligen Wiesen – klang erstmal gut.
Aber dann erfuhren wir wie der „Anbindeunterricht“ von statten geht:

Ein 2,5-jähriges Jungpferd wurde aus der Herde geholt und allein in den Innenhof gebracht – außer Sichtweite der Artgenossen.
Dort war eine massive Eisenstange an der Wand montiert – so fest, dass selbst mit größtem Krafteinsatz nichts zu rütteln war. Daran schwere Ketten.
Von einem Geländer oberhalb konnte man auf die Stange herunterschauen – die Treppe daneben führte direkt daran vorbei.

Das Pferd wurde dort angebunden. Und dann? Es blieb allein. Die Menschen waren mit anderem beschäftigt.
„Wenn jemand die Treppe runterkommt, ist das gut“, sagte man uns. „Dann lernt es, dass Menschen auch mal von oben kommen – wie beim Reiten.“
Zitat: „Die stehen da manchmal stundenlang. Die lernen das ganz alleine. Funktioniert super.“
Und dann zu mir: „Wenn Du ein Pferd in den Roundpen nimmst, musst Du es dauernd beschäftigen – hier lernt es das Stillstehen ganz ohne Zutun!“

Oh mei. Da fehlen mir die Worte.

Versteh mich nicht falsch: Natürlich halte ich es für wichtig, dass Pferde lernen, ruhig angebunden zu stehen.
Aber wenn ein Pferd jeden Tag mehrere Stunden angebunden ist, während der Mensch sich um alles kümmert – nur nicht um das Pferd selbst – dann hat das nichts mit Ausbildung oder gar „Miteinander“ zu tun.

Die Zeit mit meinem Pferd ist für mich Quality Time – ein echter Kontakt.
Meine Aufmerksamkeit gehört dann dem Pferd. Ich nehme seine Körperhaltung wahr, seinen Muskeltonus, seine Fragen – und ich höre auf seine Antworten.
Denn Pferde sprechen mit uns. Immer. Wir müssen nur hinhören. Oder besser hinschauen, denn Pferde kommunizieren mit ihrem Körper.

Ja, ich bin gesellig. Ich plaudere gern mit meinen Einstellern – aber das mache ich, wenn mein Pferd bei seinen Freunden im Auslauf steht.
Nicht, wenn es am Putzplatz auf mich wartet.

Für mich beginnt unsere gemeinsame Zeit, wenn ich mein Pferd aus der Herde hole.
Dann bin ich für mein Pferd da – ganz. Körperlich und mental.

Wie gehst Du damit um?
Hast Du Dich bei der ein oder anderen Szene ertappt gefühlt?
Dieser Beitrag soll nicht mit dem Finger auf andere zeigen.
Er soll Bewusstsein wecken.

Im Sinne des Pferdes.

Danke fürs teilen!

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Ute Gerster (Dienstag, 03 Juni 2025 12:04)

    Super Beitrag, ich bin ganz deiner Meinung.