Integration in eine artgerechte Offenstallhaltung – worauf es wirklich ankommt
Die Integration eines neuen Pferdes in eine bestehende Herde ist nie "mal eben so" erledigt – denn mit jedem neuen Pferd ändert sich die komplette Dynamik. Dabei ist es egal, ob eines dazukommt oder eines geht: Die Herde sortiert sich neu. Und an dieser Stelle für alle die es besser wissen: es gibt keine Herden Hierarchie von 1-10, aber es gibt Rollen, es gibt Ranghohe und Rangniedrige und es gibt Sympathien und Antipathien.
Grundsätzlich gilt: Und je unbekannter sich die Pferde untereinander sind, desto wichtiger ist es, dass es ausreichend Futterstellen gibt – idealerweise ein bis zwei mehr als Pferde. Futter lenkt ab, nimmt Spannung raus und verhindert Rangeleien.
➡️ In einer gemischten Herde kommt zur Herausforderung der unbekannten Pferde noch eine ganz besondere Würze dazu: die Hormone. Die können nämlich plötzlich ordentlich hochkochen. Da gibt’s dann zum Beispiel den alten Wallach, der plötzlich Feuer und Flamme für die neue Stute ist – und seine alten Kumpels kurzerhand als Rivalen betrachtet. Oder die erfahrene Stute, die beim Anblick eines neuen Wallachs ihren zweiten Frühling erlebt. Ja, auch bei Pferden spielen Hormone manchmal verrückt – ganz wie bei uns Menschen. 😄
Kein Wunder also, dass sich viele Ställe bewusst für nach Geschlechtern getrennte Herden entscheiden. Das macht nicht nur den Alltag ruhiger, sondern auch die Integration deutlich einfacher.
Doch es spielen noch viele weitere Faktoren eine Rolle:
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Stuten und Wallache – ein
Unterschied bei der Integration
Aus meiner mittlerweile 40-jährigen Erfahrung in Sachen Herdenintegration kann ich sagen: Stuten lassen sich in der Regel leichter integrieren als Wallache. Das heißt natürlich nicht, dass jeder Wallach automatisch schwierig ist – wie so oft bestätigen auch hier die Ausnahmen die Regel.
Was mir jedoch immer wieder auffällt: Unter Wallachen kommt es häufiger zu kleinen Machtkämpfen – sei es um die Rangordnung oder auch, wenn Stuten in der Nähe sind. Stuten hingegen fügen sich meist leise und ohne großes Aufsehen in die bestehende Herde ein. Sie sind oft sozialer unterwegs und finden ihren Platz im Verbund ganz selbstverständlich.
➡️ Alter und Temperament machen den Unterschied
Ob jung oder alt, dominant oder eher zurückhaltend – jedes Pferd bringt seine ganz eigenen Voraussetzungen mit, wenn es um die Integration in eine Herde geht. Pauschalisieren lässt sich da wenig.
Tendenziell gliedern sich sehr junge Pferde meist gut ein – sie ordnen sich erstmal unter und beobachten. Auch ältere Pferde fügen sich oft problemlos ein, wirken ruhiger und gelassener. Meistens.
Ich erinnere mich da an einen älteren Isländer-Wallach, der im fortgeschrittenen Alter auf den Sonnenhof kam. Beim Ankommen wirkte er apathisch und in sich gekehrt. Doch kaum war er in der Herde, platzte die Tarnung: Aus dem scheinbar müden Rentner wurde innerhalb von Minuten ein temperamentvoller Dreijähriger im Körper eines Seniors. Er machte jedem Wallach unmissverständlich klar: „Der neue King ist da.“ 😄 Zum Glück entspannte sich die Lage nach zwei, drei Tagen – aber auch das zeigt: Mit Pferden muss man immer ein bisschen flexibel bleiben.
➡️ Und schon sind wir beim nächsten Punkt: die Rasse macht’s (manchmal)
Auch Rassen unterscheiden sich deutlich im Integrationsverhalten – besonders bei den sogenannten Robustrassen fällt das auf. Viele von ihnen sind regelrecht „rassetreu“ unterwegs: Isländer zum Beispiel bleiben gern unter sich, und auch Norweger oder Haflinger schätzen ihre eigenen Reihen – wenn es die Situation zulässt.
Ich erinnere mich an einen Versuch, bei dem ein Andalusier in eine Norweger-Haflinger-Herde integriert werden sollte. Neun Monate lang wurde es versucht. Doch der feine Iberer durfte bei den Robusten nur in einer Ecke stehen – mehr nicht. Kein Anschluss, kein Platz in der Gruppe. Am Ende zog er zurück in seinen vorherigen Stall, wo er sich sichtlich wohler fühlte.
Fazit: Auch wenn’s nicht immer entscheidend ist – Rassezugehörigkeit kann eine größere Rolle spielen, als man zunächst denkt. Gerade bei Robustrassen lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Ähnliches kann man manchmal auch bei außergewöhnlichen Farben z.B. Schimmel beobachten.
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Auch die Jahreszeit spielt eine
Rolle
Gerade in gemischten Herden kann der Frühling zur echten Herausforderung werden – hormonell gesehen. Wallache, die in ihrem alten Stall eher zurückhaltend waren, erinnern sich plötzlich an das letzte Quäntchen Testosteron und… ab geht die Luzie! 😅 Da wird geflirtet, imponiert und manchmal auch gestritten, was das Zeug hält.
In manchen Ställen ist die Integration nur im Sommer möglich – wenn die Pferde auf weitläufigen Weiden stehen. Und ja, das hat viele Vorteile: mehr Platz zum Ausweichen, weniger Stress durch enge Räume, und das leckere Gras lenkt wunderbar ab. Integration kann so tatsächlich deutlich entspannter ablaufen.
Aber Achtung: Auch bei besten Bedingungen gilt: Ein neues Pferd sollte nie unvorbereitet einfach in die Herde „geworfen“ werden. Ohne behutsames Heranführen kann es im schlimmsten Fall passieren, dass die Herde den panischen Neuling durch den Zaun jagt – und ja, auch das habe ich leider schon erlebt.
Darum immer: Zeit nehmen, gut vorbereiten, beobachten – und nicht von der Jahreszeit täuschen lassen.
Die Stallgestaltung – oft unterschätzt, aber entscheidend
Auch die bauliche Gestaltung des Stalls spielt eine große Rolle. Engpässe, Sackgassen oder verwinkelte Ecken können schnell zu Konfliktzonen werden, in denen sich rangniedrigere oder unsichere Pferde bedrängt fühlen.
In manchen Ställen ist die Integration deshalb nur im Sommer möglich, wenn die Pferde auf weitläufigen Weiden stehen. Das hat viele Vorteile: Mehr Platz zum Ausweichen, weniger Stress durch enge Räume und das leckere Gras lenkt wunderbar ab. Dennoch gilt auch hier: Auch bei besten Bedingungen sollte ein neues Pferd nie unvorbereitet in die Herde geworfen werden. Ohne eine behutsame Vorbereitung kann es schlimmstenfalls passieren, dass die Herde den panischen Neuling durch den Zaun jagt – und ja, auch das habe ich leider schon miterlebt. Deshalb: Zeit nehmen, gut vorbereiten und vorsichtig beobachten.
Ein offenes, gut strukturiertes Stalllayout mit vielen Ausweichmöglichkeiten ist immer hilfreich bei der Integration.
Wie kann eine Integration
ablaufen?
Für Neuankömmlinge
haben wir inmitten unseres Auslaufs eine sogenannte „Integrationsbox“ das hat den Vorteil, dass das Pferd bereits mitten in der Herde ist, die Box ist groß genug, dass es sich nicht bedrängt
fühlt, mit einem Unterstand wo es sich zurückziehen kann. Hier wird das ´Verhalten der Herde beobachtet, besteht großes Interesse an dem Neuen? Oder eher nicht? Gibt es Zuneigung oder Abneigung?
In der Regel entspannt sich die Situation innerhalb ein paar Tage.
Einzel kennenlernen auf einer separaten Koppel oder dem eingezäunten Reitplatz ist immer eine gute Idee, je nachdem wie das läuft, sollte man dann auch in dreier Konstellationen mit wechselnder Besatzung arbeiten, natürlich immer unter Aufsicht. Der Reitplatz oder ein Matschplatz empfehlen sich hier mehr als eine Gras Koppel, die würde eher vom Thema ablenken.
Ist man an dem Punkt, dass man den Neuling in die Herde lässt, sollte man viele extra Futterstellen einrichten, hier ist ablenken erstmal erwünscht, damit nicht die Aufmerksamkeit der kompletten Herde geballt auf den Neuling fokussiert ist.
Wichtig ist, vieles Beobachten: Anfangs ist das Angebot von vielen Futterstellen sinnvoll, später kann es hinderlich sein, weil es zum Streitfaktor wird. Es kommt also wieder, wie immer bei Pferden, auf die Situation an.
Anfangs wird immer nur unter Aufsicht integriert, das Pferd kommt am Abend wieder in die Box, zum Verarbeiten und zur Ruhe zu kommen. Sobald die Tage aber entspannter und harmonischer verlaufen, lasse ich das Pferd in der Nacht draußen in der Herde, ein ständiges raus nehmen kann auch für Unruhe und immer wieder neuen Problemen sorgen.
Und hier ein Tipp, von mir als Einstellbetrieb! Auch wenn mich jetzt einige wieder zerreißen möchten. Die Stimmung und die Energie der Besitzer beeinflusst das Herdenverhalten. Deshalb: Ich wäge sehr genau ab, wen ich bei der ersten Zusammenführung dabeihaben möchte und wen nicht. Angespannte, nervöse oder sogar hektische Besitzer unterstützen das Unterfangen in keiner Weise!
Was tun, wenn es hakt?
Auch das gibt es immer wieder, zwei Streithähne können gar nicht miteinander, immerhin habe sie sich ihre Herdenkonstellation nicht ausgesucht, sondern wir! Aber auch hier muss man noch nicht aufgeben, nur etwas mehr Aufwand betreiben:
Wer die Möglichkeit hat, kann die zwei Streithähne mal eine Weile (2 Wochen) ohne Blickkontakt mit anderen nebeneinander in Box mit Paddock, oder Koppeln stellen. Einsamkeit verbindet, das Inselprinzip!
Je ausgeglichener Pferde sind, umso weniger kampflustig und angespannt sind sie, gemeinsame Spaziergänge und Ausreiten haben schon viele Freundschaften geprägt.
Wer in der Not zu mir steht, den mag ich auch im Frieden! Wer´s glaubt oder nicht, gemeinsame Anhänger Fahrt schweißt oft zusammen, geteiltes Leid ist halbes Leid.
Hormonregulierende oder Entspannungs -Kräuter zur Unterstützung, schaden nicht und können den Stress reduzieren.
Vor allem: Dranbleiben, Geduld haben, nicht aufgeben!
Was sorgt eigentlich für eine entspannte
Herdenatmosphäre?
✅ Genug Futter – Hunger macht nicht nur Menschen, sondern auch
Pferde gereizt.
✅ Ausreichend Liegeflächen – damit jeder zur Ruhe kommen
kann.
✅ Rückzugsmöglichkeiten, vor allem für ältere Pferde, die mehr Ruhe
brauchen.
✅ Viele Ausweichmöglichkeiten, damit Spannungen gar nicht erst
entstehen.
✅ Sinnvolle Beschäftigung durch den Menschen – körperlich und
geistig fordernde Aufgaben fördern Ausgeglichenheit und Zufriedenheit.
In bestehenden Herden haben sich auch verwinkelte Bereiche und Zwischenwände bewährt – so können sich Pferde besser aus dem Weg gehen.
Während der Integration allerdings sollte man diese
Bereiche eher meiden, um Konflikte in Ecken zu vermeiden.
Rückzugsorten ist bei der Eingliederung neuer Pferde von großem Vorteil. Hier können sich die Pferde in Ruhe zurückziehen, ohne ständig in direkte Konfrontation geraten zu müssen.
Auch wenns schwer fällt, tatsächlich ist nicht jedes Pferd in jeder Herde geeignet. Wenn man alles versucht hat und trotzdem keine Ruhe einkehrt sollte man ernsthaft in Erwägung ziehen ob es nicht besser wäre, dem Pferd eine andere Herdenkonstellation zu bieten.
Was oft vergessen wird: Auch wir Menschen haben Einfluss! Harmonie ist ansteckend – im positiven wie im negativen Sinne. Eine Herdenkonstellation ist oft nur so entspannt, wie es die Besitzer im Umgang miteinander sind. Und ja – ich durfte in den letzten vier Jahrzehnten unzählige Beweise dafür sammeln.
Am Ende lohnt sich ein ehrlicher Blick nach
innen:
**Bin ich selbst die Person, mit der ich gerne zusammen wäre
Wenn die Antwort „Ja“ lautet, ist schon vieles getan – für ein harmonisches Miteinander im Stall und in der Herde. 🐴❤️
Integration ist kein Sprint – es ist ein Prozess. Mit Geduld, Verständnis und guter Vorbereitung kann daraus ein harmonisches Miteinander entstehen. 🐴❤️
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