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Gefahren und Chancen beim Umgang mit Druck

Gefahren und Chancen bei der Arbeit mit Druck
Druck als Kommunikationsmittel zwischen Pferden und Menschen
Druck ist eine Form von Energie. Immer, wenn ich ein Gefühl oder eine Bewegung ins Seil übertrage, entsteht ein Druck – sei er noch so gering, wie etwa 0,4 Gramm. Um zu verstehen, warum die Arbeit mit Druck natürlich und wichtig sein kann, muss man wissen, dass Pferde untereinander eine Kommunikation nutzen, die auf negative Verstärkung basiert. Es gibt in einer Herde kein Pferd, das Lob oder Leckerli verteilt. Stattdessen belohnt es seine Artgenossen durch das Ausbleiben von weiterem Druck. Dies ist ihre natürliche Sprache.
Wenn wir also mit Pferden in ihrer Sprache kommunizieren wollen, ist es unvermeidlich, mit Gefühl, Druck oder Energie zu arbeiten. Dabei gilt der Grundsatz: „So wenig wie möglich“ also verhältnismäßig. Es geht nicht darum, Druck als Selbstzweck einzusetzen, sondern angemessen zu reagieren und klar zu kommunizieren.
Warum ist Druck in Verruf geraten?
Aussagen wie „Der arbeitet mit Druck!“ wirken oft negativ, weil der Begriff „Druck“ mit Zwang und Gewalt assoziiert wird. Zudem wird Druck oft falsch angewandt. Dabei ist er nur eines von vielen Werkzeugen in der Pferdeausbildung. Die Kunst besteht darin, diese Energie feinfühlig und situationsgerecht einzusetzen. Richtig angewandt, kann Druck eine klare und präzise Form der Kommunikation sein – vorausgesetzt, das Timing stimmt.
Timing: Die größte Herausforderung bei Druck
Ohne richtiges Timing wird Druck schnell problematisch. Es ist entscheidend, genau zu wissen, wann Druck angebracht ist und wann man ihn wieder verringern oder ganz wegnehmen muss. Druck im richtigen Moment zu reduzieren, kann bedeuten dem Pferd ein klares Feedback zu geben.
Ein Beispiel:
Beim Verladetraining kann es hilfreich sein, sanft mit einem Fähnchen hinter dem Pferd zu wedeln – eine Form von Druck. Ziel ist, das Stillstehen unangenehm zu machen, damit das Pferd den Gedanken fasst, seine Beine zu bewegen. Entscheidend ist jedoch, mit dem Wedeln aufzuhören, sobald das Pferd den Gedanken aufgreift, sich zu bewegen – nicht erst, wenn es tatsächlich einen Schritt macht. Hört der Druck nicht rechtzeitig auf, lernt das Pferd, dass es keinen Unterschied macht, ob es vorwärts denkt oder nicht. Habe ich keinen Gedanken für vorwärts, wird es mit den Schritten auch schwierig.
Wie viel Druck ist „so viel wie nötig“?
Die Grundlage für eine gute Kommunikation lautet: „So wenig wie möglich, so viel wie nötig.“ Aber was bedeutet das konkret? Der Druck muss variieren – mal reichen 0,2 Gramm, mal sind 5 Gramm nötig. Entscheidend ist, dass Druck nicht dazu dient, eine Handlung direkt zu erzwingen, sondern die Gedanken des Pferdes zu erreichen. Sobald das Pferd den Gedanken weg vom Anhänger loslässt, sollte der Druck nachlassen. Dies gibt den Weg frei für den nächsten Gedanken, der lauten könnte: ich nähere mich dem Anhänger.
Steigere ich den Druck jedoch über das erforderliche Maß hinaus, nehme ich dem Pferd die Möglichkeit, eigene Lösungen zu suchen. Dies beeinträchtigt nicht nur die Partnerschaft, sondern widerspricht auch der Natur des Pferdes. Es liegt nicht in ihrer Art, mehr Druck als nötig auszuüben. Mein Ziel sollte sein, Druck abzubauen, sobald das Pferd einen unerwünschten Gedanken loslässt – nicht erst, wenn es die gewünschte Handlung ausführt.
Wozu dient Druck? Oder besser, wozu dient er nicht?
Druck dient nicht dazu, sofortiges Handeln zu erzwingen, sondern die Aufmerksamkeit des Pferdes zu erreichen. Bereits eine minimale Reaktion – ein Gedanke in die gewünschte Richtung – sollte mit einem Nachlassen des Drucks belohnt werden. Übermäßiger Druck nimmt dem Pferd Freiraum für eigene Entscheidungen und stört die Partnerschaft. Druck der eingesetzt wird, damit ein Pferd eine gewisse Handlung vollzieht, ist manipulativ.
Druck braucht eine klare Botschaft
Druck sollte immer mit einer Botschaft verbunden sein. Ohne klare Kommunikation wird das Pferd verwirrt oder gestresst. Es reagiert dann nicht aufgrund von Verständnis, sondern aus Unwohlsein – eine Form der Misshandlung auf psychischer Ebene.
Bleiben wir beim Verladetraining: Ich gebe ein leichtes Gefühl ins Seil, das für das Pferd wie ein Ziehen wirkt. Steht das Pferd fest, signalisiert meine Nachricht im Seil: „Denk nach vorne.“ Sobald das Pferd sein Gewicht minimal nach vorne verlagert, lasse ich nach und gebe damit ein positives Feedback. Hat das Pferd verstanden, dass Vorwärtsdenken eine gutfühlende Lösung ist, folgen die Beine meist von selbst.
Fehler bei der Arbeit mit Druck
Wie man sieht, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Druck falsch anzuwenden. Wenn Druck nicht im richtigen Moment oder in der richtigen Intensität eingesetzt wird, kann er das Pferd verunsichern und eine freudige Mitarbeit verhindern.
Fazit
Druck kann eine artgerechte Kommunikationsform sein, wenn:
• das richtige Maß angewandt wird,
• das Timing stimmt,
• er zur richtigen Zeit nachgelassen wird,
• er mit einer klaren Botschaft verbunden ist.
Wichtig: Dieser Post thematisiert nicht den Vergleich von positiver und negativer Verstärkung. Darauf gehe ich gerne im nächsten Beitrag ein.
In diesem Sinne – für eine feinfühlige und artgerechte Kommunikation im Sinne des Pferdes!
Simone Carlson

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