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Die Sache mit dem Druck

Die Sache mit dem Druck:
Wissenschaftliche Perspektiven auf Pferdetraining
Pferdetraining, -umgang und -ausbildung polarisieren: Die einen propagieren völligen Verzicht auf Druck, andere akzeptieren ihn in Maßen, wieder andere halten ihn für unverzichtbar. Doch bevor man über "Druck" diskutiert, sollte man klären, was darunter zu verstehen ist. Ist Druck per se negativ? Oder ist es die Assoziation, die den Begriff belastet?
Druck – ein vielschichtiger Begriff
Druck wird oft mit Unterdrückung oder Gewalt gleichgesetzt. Doch Druck beginnt bereits dort, wo man sanft mit einer Hand das Pferd zur Seite bittet – eine Aktion, die bei manchen Menschen bereits als "zu viel" gilt. Interessanterweise nutzen viele Menschen, die "sanft" arbeiten wollen, oft unbewusst Körperkraft, um das Pferd zu bewegen. Sie lehnen sich gegen die Hinterhand, ohne zunächst die Aufmerksamkeit des Pferdes einzufordern, was paradoxerweise weniger effektiv und weniger "sanft" ist, als gezielt mit Körpersprache zu arbeiten.
Wissenschaftliche Einteilung des Druckbegriffs
Eine präzisere Diskussion erfordert eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Formen von Druck:
1. Innerer Druck:
Bereits die eigene Einstellung und Energie setzen Druck frei. Eine klare innere Haltung signalisiert dem Pferd, sich zu bewegen oder zu weichen.
2. Visueller Druck:
Über Körpersprache und Bewegungen wie gezieltes Aufrichten oder einen Fingerzeig wird dem Pferd eine Intention vermittelt.
3. Berührungsdruck:
Sanfte Berührungen können ebenfalls Druck darstellen – sei es, um eine Reaktion hervorzurufen (z. B. Weichen) oder als Lob ohne Reaktionsforderung.
4. Druck durch deutliche Klarheit:
Klare Signale sind oft notwendig, z. B. bei Gefahrensituationen. Wenn ein Pferd auf eine Straße zuläuft, wird deutlicher Druck eingesetzt, um es sicher anzuhalten. Den auch am Halfter gegen zu halten, obwohl das Pferd weiter laufen möchte ist eine Form des Drucks! Ist das jedem bewusst?
5. Druck im Sinne von Gewalt:
Gewalt beginnt dort, wo Schmerzen oder Zwangsmittel genutzt werden, um ein Pferd zu etwas zu bringen, was es nicht versteht oder leisten kann. Diese Form von Druck ist abzulehnen und wird in der Regel klar verurteilt.
Druck in der Natur des Pferdes
Von Geburt an ist Druck Teil des natürlichen Pferdeverhaltens. Die Stute vermittelt dem Fohlen durch Druck, wo es stehen darf. In der Herde wird Druck als Kommunikationsmittel genutzt: Ranghöhere Pferde setzen zunächst visuellen Druck ein, oft genügt ein energischeres Auftreten, um Respekt zu schaffen. Körperlicher Druck wird nur angewandt, wenn visuelle Signale ignoriert werden.
Warum ist Druck so umstritten?
Die Ablehnung von Druck in manchen Reiterkreisen resultiert oft aus einem Missverständnis. Viele erkennen die sanften Formen von Druck nicht als solche an. Doch Druck ist die "Sprache der Pferde" und eine natürliche Kommunikationsform. Sich dieser Sprache anzupassen, bedeutet, das Pferd besser zu verstehen und fair mit ihm zu kommunizieren.
Fazit
Druck ist weder gut noch schlecht – er ist ein Werkzeug. Entscheidend ist, wie und in welchem Maß er eingesetzt wird. Eine bewusste, differenzierte Anwendung, die die natürlichen Verhaltensweisen der Pferde respektiert, ist der Schlüssel zu einer respektvollen und effektiven Mensch-Pferd-Kommunikation.
Mit dieser Perspektive könnten wir die Diskussion um Druck im Pferdetraining auf eine sachlichere und wissenschaftlich fundierte Ebene heben.
Reflexion über persönliche Ansichten und Erfahrungen:
Welche Rolle spielt für dich der visuelle Druck in der Pferdearbeit, und wie integrierst du ihn in deinen Alltag?
Warum denkst du, ist der Begriff „Druck“ in manchen Reiterkreisen negativ behaftet, obwohl er eine natürliche Kommunikationsform unter Pferden ist?
Welche Beispiele aus der Herdenkommunikation kannst du auf deine Arbeit mit Pferden übertragen?

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