Training mit Gefühl

Gefühlsduselei oder Training mit Gefühl
Die Pferdewelt ist ein bisschen wie eine Soap-Opera – voller Dramatik, Extreme und Meinungen. Auf der einen Seite: strenge Chefs mit Peitsche, auf der anderen: Flower-Power-Fans, die dem Pferd am liebsten den Wochenplan selbst schreiben lassen. Und dazwischen? Chaos. Aber wie findet man den goldenen Weg – einen Weg, der dem Pferd gut tut und den wir auch vertreten können?
Die Basis: Beziehung reflektieren Bevor wir uns für eine Trainingsphilosophie entscheiden, lohnt ein Blick in den Spiegel: Was will ich eigentlich mit meinem Pferd? Chef sein? Partner auf Augenhöhe? Oder einfach nur bester Freund? Ehrlichkeit und gnadenlose Selbstreflexion sind hier entscheidend. Die Basis jeder Beziehung ist Klarheit über die eigenen Ziele und Bedürfnisse.
Auch wenn es schön klingt, ein „Partner auf Augenhöhe" zu sein? Es geht nicht darum, dem Pferd die Zügel zu überlassen, sondern ein Set Up zu schaffen in dem das Pferd sich verstanden und gut und sicher geführt fühlt. Wir sind für das Wohlbefinden des Pferdes verantwortlich, das schaffen wir nicht indem wir das Pferd alles entscheiden lassen, sondern indem wir ihm mit Klarheit gegenüber treten.
Gefühl statt Glitzerherzchen Ja, wir lieben unsere Pferde. Und manchmal möchten wir das mit Herzchen auf der Schabracke ausdrücken. Aber Achtung: Training mit Gefühl bedeutet nicht, das Pferd in rosa Watte zu packen. Es heißt zu verstehen, was das Pferd braucht. Konkret:
• Klar kommunizieren – ohne persönlich beleidigt zu sein, wenn das Pferd überlegt oder eine andere Antwort gibt.
• Druck angemessen dosieren – so wenig wie möglich, so viel wie nötig.
• Den richtigen Moment treffen – beim Annehmen, Loslassen und Variieren- Timing ist extrem wichtig für das Verständnis des Pferdes.
• Fragen stellen – und auf die Antworten achten. Pferde kommunizieren ständig durch Körpersprache, Muskeltonus und Blickrichtung. Wir müssen lernen zuzuhören.
Druck – das unterschätzte Werkzeug Druck ist kein Schimpfwort! Er passiert ständig: beim Anheben des Hufs, beim Führen oder beim zur Seite weichen lassen. Der Trick ist, ihn fein und bewusst einzusetzen – wie ein Koch, der genau weiß, wann eine Prise Salz reicht.
Druck ist jedoch nicht gleich Druck. Er variiert in:
• Intensität: Wie stark ist der Reiz?
• Tempo: Wie schnell baue ich den Druck auf oder ab?
• Qualität: Wie weich oder hart fühlt sich der Druck an?
• Druck kann so sanft sein, das es nicht mal zum Körperkontakt kommt, ich nenne das Visueller Druck.
Das richtige Gefühl für diese Faktoren erfordert Übung und Beobachtung. Es geht darum, Druck als klare, faire und situationsgerechte Kommunikation zu nutzen.
Gefühlsarbeit in der Praxis Training mit Gefühl erfordert, dass wir uns ständig fragen:
• Wie viel Intensität braucht es gerade?
• Wie schnell baue ich Druck auf oder ab?
• Eine Nuance mehr oder weniger ist gelebte Kommunikation mit dem Pferd.
• Wann steigere ich den Druck, wann nehme ich ihn zurück?
Diese Fragen zu beantworten, ist keine leichte Aufgabe. Aber wer hat gesagt, dass gute Pferdearbeit einfach ist? Wichtig ist, dass wir die feinen Signale des Pferdes wahrnehmen und darauf eingehen. Eine zu harte oder zu schwache Reaktion kann Missverständnisse schaffen.
Die Sprache der Pferde: Blinzeln und mehr Pferde sprechen eine feine Sprache, die wir oft übersehen. Ein Blinzeln, ein gespannter Muskel oder eine Verlagerung des Gewichts – all das sind wichtige Signale. Hier einige Beispiele:
• Muskeltonus: Angespannte oder entspannte Muskeln zeigen Gefühle wie Angst oder Wohlbefinden.
• Blickrichtung: Wohin schaut das Pferd, wie oft ändert es den Fokus?
• Blinzeln: Ein nervöses Blinzeln kann Unsicherheit oder Unverständnis ausdrücken. Es könnte aber auch ein Zeichen des Verarbeitens, der Überforderung oder von Stress sein.
• Tempo: Wird das Pferd schneller oder langsamer? ist das schneller werden auf Grund von Sorge oder Interesse und mehr Leben? Ist die langsamere Bewegung ein Zeichen von Entspannung oder Interesselosigkeit?
Diese subtilen Zeichen sind entscheidend. Pferde kommunizieren mehr auf Gefühlsebene als durch sichtbare Bewegungen. Unsere Aufgabe ist es, diese Sprache zu lernen.
Gefügigkeit oder Gefühl – der Balanceakt Viele Trainingsmethoden fokussieren darauf, das Pferd gefügig zu machen. Oft liegt das am menschlichen Sicherheitsbedürfnis – Kontrolle beruhigt. Doch die meisten Pferdebesitzer träumen von mehr: einer "51 %-Senior-Partnerschaft". Vergessen aber dabei das sich ein Pferd sicher und gut fühlt wenn es kompetent geführt wird, es braucht keine Führungsrolle um sich selbstbewusst zu fühlen.
Gefühlsarbeit heißt, dem Pferd zuzuhören und es als Individuum zu respektieren. Es heißt aber auch, klar und konsequent zu bleiben, denn ohne Struktur kann keine echte Sicherheit entstehen.
Kann man Gefühl lernen? Ja! Manche Menschen haben ein natürliches Talent, andere müssen es mehr trainieren. Wichtig ist die Bereitschaft, sich zu verbessern. Beobachten, zuhören und reflektieren sind die Schlüssel. Ein guter Lehrer kann dabei helfen, das eigene Bewusstsein zu schärfen.
Wie lernt man Gefühl?
• Beobachte dein Pferd genau und lerne, kleine Veränderungen wahrzunehmen.
• Lass dir von Fachleuten Feedback geben.
• Sei geduldig mit dir selbst und deinem Pferd.
• Achte auf deine eigenen Signale und Reaktionen.
• Beginne jede Interaktion mit einer Frage und achte auf die Antwort deines Pferdes.
Fazit Training mit Gefühl ist kein festes Rezept, sondern ein Dialog. Es ist die Kunst, in jedem Moment die richtige Balance zu finden zwischen Klarheit und Einfühlungsvermögen. Es braucht Geduld, Beobachtungsgabe und die Bereitschaft, ständig zu lernen. Wenn wir diesen Weg gehen, werden wir mehrfach vom Pferd belohnt denn am Ende braucht das Pferd Vertrauen und Klarheit und keine Herzchen auf der Futterschüssel.

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