Abschied

Abschied

Es ist noch zu früh für einen Jahresrückblick, zu bald, um Bilanz zu ziehen. 

Dennoch fühlt es sich so an, als würde es anstehen. 

Für den Sonnenhof, mein Zuhause, ist es eine Zeit des Loslassens. Loslassen treuer Weggefährten, die ihren Weg über die Regenbogenbrücke gegangen sind, die ihren Körper verlassen haben, nicht mehr unter uns weilen, gestorben sind, diese Erde verlassen haben ... Hier fällt mir erstmal auf, wie viele Umschreibungen es für das Sterben gibt. Tatsächlich gibt es „laut google“ 50 Wörter für den Begriff „Sterben“ (nicht alle davon sind wertschätzend oder respektvoll). 

In meiner Laufzeit habe ich schon viele Tiere auf ihrem letzten Weg begleitet – meine eigenen; Tiere meiner Schüler, die mich darum baten, sie dabei zu unterstützen; Pferde, die hier auf meinem Hof als Einsteller lebten. Mit ihnen haben wir nicht nur das Zuhause geteilt – wir haben zusammengelebt. Das verbindet. 

Ganz gleich, wie oft ich diese Aufgabe erfülle – es wird nicht leichter, es wird nicht einfacher. Dennoch sehe ich es als einen Vorgang, der mir große Ehrfurcht einflößt. Es ist schwer, traurig, schmerzhaft – und doch fühle ich Dankbarkeit, wenn ich ein Pferd auf seinem letzten Weg begleiten darf. 

In diesem Jahr sind gleich zwei „alte Mammuts“ gegangen, es waren die letzten zwei Pferde, die noch aus der Ära meines alten Stalles in Thüngen „übrig“ waren. Damals vor 11 Jahren sind wir mit 7 Pferden umgezogen. Nun geht mit ihnen auch dieser Abschnitt ein für alle Mal zu Ende. 

Diese beiden Pferde haben die Philosophie „Im Sinne des Pferdes“ jedes auf seine eigene Weise verkörpert. Sie haben mich in meinen Kursen und in meinem Unterricht unterstützt. Ja, sie waren wundervolle Lehrer! Ein jedes für sich bekam nach und nach andere Gebrechen und von da an galt es, den Spieß umzudrehen und nun sie zu unterstützen, für sie da zu sein. Die täglichen „To-do´s“ rund um das alternde, kranke Pferd wurden mehr und mehr, und ich sah es als einen Akt der Dankbarkeit und war froh, ihnen nun etwas zurück geben zu können. 

Was wir dabei auf dem Sonnenhof machen, geht weit über die Aufgaben eines regulären Einstellbetriebs hinaus: Wir kümmern uns, immer dann, wenn es dem Besitzer nicht möglich ist – besonderes Management, in vielen Facetten, sei es fünfmalige Medikamentengabe, gesonderte Unterbringung, je nach Bedürfnis des Pferdes auch mal einzeln, immer auch angepasst an das Wetter, z.B. raus aus der Hitze und dem Staub etc., am Abend, wenn es kühler wird, wieder in den Herdenverband. Was auch immer nötig ist, wir machen es möglich. Wir arbeiten eng mit den Besitzern zusammen, um den Pferden das Leben so angenehm wie irgend möglich zu gestalten. Ja, und wir hören zu, sind Ansprechpartner für die Sorgen, Ängste, Zweifel der Besitzer. Wir machen Mut, geben Zuversicht und helfen, Entscheidungen zum Wohle des Pferdes zu treffen. Ja, und am Ende, da bleiben wir und begleiten, wenn gewünscht, bis zum letzten Atemzug.

Es ist schön, wenn es der Besitzer schafft, dies auch zu tun, ich sehe es als einen wichtigen Prozess des Abschieds, wenn auch ein schmerzhafter. 

Was dann kommt, das übernehme ich. Es ist keine schöne Arbeit, dennoch notwendig. Der Körper wird mit einer Plane abgedeckt. Wir zünden eine Grabkerze dort an; man sagt, dass die Seele drei Tage braucht, um den Körper ganz zu verlassen. (Ich glaube, dass es bei Tieren schneller geht.) Die Kerze soll unterstützen, das Licht zu finden

Andere sagen, Tierseelen brauchen keine Unterstützung, sie tragen das reine Licht in sich und werden „drüben“ vom Licht empfangen das Ihnen hilft sich von der Materie zu entbinden. Die Kerze besagt, dass wir dem Pferd das Licht unserer Liebe mitgeben

Es sind uralte Bräuche, die uns Menschen Halt und Trost geben können. Und der größte Trost ist, dass es unseren Tieren „drüben“, im Jenseits, gut geht, dass sie dort liebevoll aufgenommen werden.

Dann gibt es die Aufgaben, die nicht die eines Besitzers sein sollten. Der Anruf beim Abdecker, hier wird sachlich kommuniziert: „Hatte das Pferd noch Eisen drauf?“ „Wie schwer ist es?“ „Sie brauchen einen Frontlader.“ „Haben Sie einen Equidenpass?“ Die Abholung ist eine große Herausforderung. Auch da bin ich dabei. Hier gilt es, den Raum zu halten, alles los-zu-lassen. Die Abholung selbst ist schrecklich. Danach gilt es, den Platz zu reinigen, dem Besitzer Bescheid zu geben. Die Kerze stelle ich nochmal auf, bis sie komplett abgebrannt ist. Das ist eine friedvolle tröstende Geste, egal, wer was davon halten mag.

Während des ganzen Prozesses schauen wir vermehrt und intensiv nach der Herde. Denn es reißt natürlich eine Lücke ins Leben, wenn einer/eine von ihnen geht. Manche trauern und brauchen extra Unterstützung. Andere finden sich in neuen Herdenkonstellationen nicht gleich gut ein; auch hier gilt es, achtsam zu begleiten. Auch das sehe ich als meine Aufgabe, als Aufgabe einer Stallbesitzerin. 

Am Ende ist nur wichtig, dass es den Pferden bis zum letzten Atemzug so gut geht, wie es eben möglich ist. Und dass Ihnen der Übergang würdevoll und achtsam bereitet wird. Und ich bin unendlich dankbar, dass ich es hier mit Pferdebesitzern zu tun habe, die das genauso sehen. 

In diesem Sinne und im Sinne der Pferde, 

Eure Simone Carlson

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