Artus

Wenn man als Fohlen das Glück hat von ganz lieben Menschen gekauft zu werden, die es gut mit einem meinen und man dann im Offenstall am Haus in einer gemischten Herde mit großen Koppeln aufwachsen darf, dann ist das doch grundsätzlich mal ein guter Start!
Gut, wenn man dann als Hengstfohlen geboren wurde, dann muss man diese doofe Kastration nun mal über sich ergehen lassen, möchte man weiter in der gemischten Herde leben. Ein Schicksal, das bereits viele Hengste vorher gut verkraftet haben. Das Leben kann schön sein, man läuft hin und wieder am Küchenfenster vorbei, bekommt dort einen Apfel und freut sich seiner selbst.

 

Wenn da nicht doch irgendetwas schief gegangen wäre. Außer unendlicher Liebe und Verständnis für alle möglichen Schandtaten und der Bereitschaft der Aufopferung zum Wohle des Pferdes und dann nochmal ganz viel Liebe und Geduld, ja außer dem allen gab es nichts.

Keine Grenzen, keine Regeln, keine Anweisungen und keine klare Linien. Und so wurde aus dem Traumleben ganz schnell ein Alptraum. Erst mal für die Besitzer des nun groß gewordenen Fohlens, mittlerweile 7 Jahre alt und ca. 750 kg schwer. Nun zeigt sich Artus als ein Pferd, das weder am Putzplatz still steht, noch sich irgendwohin führen lässt ohne sich loszureißen. Im Auslauf läuft er einfach auf den Menschen zu und dieser weicht besser aus, denn Artus tut es mit Sicherheit nicht. Artus macht was er will, so scheint es auf den ersten Blick.

 

Aber Artus ist nicht so wie es scheint. Artus ich nicht glücklich in dieser Position in die er viel zu früh in seinem jungen Leben hinein manövriert wurde. Auch für Artus ist vieles ein Alptraum. Wenn er zum Beispiel von seiner Herde weg geführt wird, wo er sich doch nur dort sicher fühlt weil er da Chef sein kann. Wenn er am Putzplatz stehen soll und nicht versteht für was das gut sein soll, weil sich alles da draußen so unsicher anfühlt. Wenn er dann auf dem Reitplatz laufen soll, wo der doch soooo unendlich weit weg ist von seinem ach so sicheren Hafen.

 

All diese Dinge machen ihm Angst und so reißt er sich los und rennt zurück. Dahin wo er Sicherheit empfinden kann. Denn Sicherheit ist für ein Fluchttier unglaublich wichtig, ja lebensnotwendig. Pferde können Sicherheit in klaren Regeln finden, aber die gibt es für Artus nicht. Und so muss er sich um sich selbst kümmern. Egal wie alt und egal ob er dazu geeignet ist Chef zu sein. Einer muss es halt tun.

Nun sind die Besitzer aber an einem Punkt wo sie erkennen, es muss sich etwas ändern. Und da kam ich ins Spiel. Ich lernte den großen Wallach kennen, als er am Putzplatz Hufe scharrend und hin und her tänzelnd angebunden war. Was für eine Erscheinung: groß, schwarz und aufgebracht. Ein toller Kerl, rein äußerlich. Schaut man nach innen, ein kleines Kind, das sich in seiner Haut und in seiner Position nicht wohl fühlt.

In einem schmalen Gang begann ich mit der Readiness, denn hier konnte ich sicher gehen dass er mir nicht davon rennen würde. Wie gerne hätte ich mein Round Pen vor Ort, um ihm ein paar grundlegende Regeln über die freilaufende Arbeit näher zu bringen. Aber gut, Frau muss halt mit dem arbeiten was ihr zur Verfügung steht. Sehr schnell begriff er, dass es eine Möglichkeit der Kommunikation zwischen Mensch und Pferd geben kann, Seil rauf und runter bedeutet rückwärts, aber nicht nur rückwärtsgehen, sondern tatsächlich auch rückwärts denken. Was bedeutet dass man die Gedanken die oft weit weg sind, wieder zu sich zurück holt um sich selbst mehr wahr zu nehmen. Diese Übung hilft dann wenn er mal wieder davon laufen will, dann holt man die Gedanken zurück ins Pferd und lässt ihn zudem noch rückwärtsgehen. Da kann ein Pferd zur Ruhe kommen und die Verantwortung dem Menschen überlassen, das fühlt sich gut an.

 

Zurück zum Anbindeplatz und sofort wieder Gezappele. Aber was ist das? Mit dem aufschlagen des Fähnchens auf dem Boden hat er nicht gerechnet. Erst kurzes Aufbäumen, dann Erstarren. Und das Fähnchen? Ist ganz still. Nochmal Hufe scharren, huch, das Fähnchen ist aber laut, das fühlt sich nicht gut an. Wieder erstarren, Fähnchen still. Hm, was jetzt? Ach ja, Beine bewegen…. Verdammt dieses Fähnchen kennt keine Gnade. Aber warte, wenn ich still stehe, ist das Fähnchen auch still. Wowwww. Was für eine Stille, was für eine Ruhe, wie angenehm. Wie, alles was ich tun muss ist hier zur Ruhe zu kommen? Krass, und sonst kümmert sich der Mensch um alles? Coole Sache, hier kann ich entspannen.

 

Und so stand er da, zum ersten Mal in seinem Leben, entspannt am Putzplatz, ließ den Kopf hängen und ließ los. Während der ersten Übungseinheit sind wir noch sehr oft zwischen den einzelnen Übungen immer wieder zum Putzplatz gegangen um dort Ruhe zu finden. Artus fühlt sich mittlerweile dort sehr wohl. Der Weg zum Reitplatz wird auch immer angenehmer, denn der große Schwarze bekommt Aufgaben, die wichtig sind. Er bekommt Regeln, die er verstehen kann und er bekommt Grenzen die ihm Sicherheit geben. Artus ist sehr lernwillig und die Reitbeteiligung, sehr bemüht ihm gerecht zu werden, seine Besitzer bereit ihm nun ein Leben in Sicherheit zu geben. Was will man mehr, außer sich drauf einlassen und lernen lernen, lernen …
Ich werde auf jeden Fall weiter über Artus berichten.

 

Im Sinne des Pferdes
Eure Simone Carlson

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