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Hast Du die Kontrolle über Dein Pferd?

Neulich stellte mir eine relativ neue Schülerin eine spannende Frage:
„Wie ist das eigentlich mit der Kontrolle bei deiner Arbeit mit Pferden? Wenn du doch ständig darauf eingehst, was das Pferd gerade braucht und versuchst, seine Bedürfnisse zu erfüllen – wie behältst du dann überhaupt die Kontrolle?“

Ich musste schmunzeln. Diese Frage wurde mir früher viel häufiger gestellt – sie war sogar oft Auslöser für hitzige Diskussionen. In letzter Zeit war es ruhig um dieses Thema geworden, bis vor ein paar Tagen.

Meine erste Antwort war – wie damals – kurz und klar:
Kontrolle ist nichts, das wir uns nehmen. Kontrolle ist etwas, das uns das Pferd gibt.

Natürlich lässt sich so ein Thema nicht mit einem Satz abhandeln. Es entstand ein längeres Gespräch, und mir wurde erneut bewusst, wie wichtig dieser Aspekt gerade in der heutigen Zeit ist. Einer Zeit, in der Showeffekte und spektakuläre Leistungen oft im Mittelpunkt stehen.

Ein Reiter, der in einer voll besetzten Arena kunstvolle Lektionen mit seinem Pferd zeigt, erhält Bewunderung. Ein Reiter, der sein Pferd ohne Stress durch Wasser, über Brücken oder in den Hänger führt – eher nicht.

Ohne Stress!
Das ist ein entscheidender Punkt – aber leider längst keine Selbstverständlichkeit.

Für mich ist es von unschätzbarem Wert, Stress gegen Wohlbefinden einzutauschen – in allem, was ich mit meinem Pferd tue.
Mir geht es nicht darum, was ich alles tun kann, sondern wie sich mein Pferd dabei fühlt.


Was bedeutet eigentlich „Kontrolle“?

Wikipedia definiert Kontrolle als Überwachung oder Überprüfung eines Sachverhalts oder einer Person – und somit ein Mittel zur Herrschaft oder Gewalt über jemanden oder etwas. In der Psychologie beschreibt Kontrolle die Fähigkeit eines Individuums, das eigene Leben zu steuern.

Was bedeutet Kontrolle im Kontext der Pferdearbeit?
Ganz schlicht: Die Möglichkeit, bestimmte Handlungen des Pferdes beeinflussen oder abrufen zu können – also Kontrolle im ursprünglichen Sinn.

Warum ist das für viele Menschen so wichtig?
Weil Kontrolle Sicherheit gibt.
Im Straßenverkehr, beim Tierarzt, beim Hufschmied oder beim Ausritt – in all diesen Situationen wünschen wir uns ein Pferd, das zuverlässig reagiert. Dieser Wunsch ist verständlich und legitim. Wir wollen uns sicher fühlen.

Doch genau hier beginnt oft ein schmaler Grat:
Der Wunsch nach Kontrolle wird schnell zur Rechtfertigung für übermäßige Dominanz im Training.


Und was bedeutet Dominanz?

Dominanz zeigt sich dann, wenn der Druck auf das Pferd so groß wird, dass es aus Angst handelt.
Das Pferd folgt nicht aus Vertrauen oder Überzeugung, sondern weil es Konsequenzen fürchtet, wenn es sich verweigert.

Angst – nicht Vertrauen – ist der Motor.

Das Problem: Diese Art von Kontrolle funktioniert nur so lange, wie die Angst vor uns und der Konsequenz, größer ist als die Angst vor dem Rest der Welt.

Ein Beispiel:
Ein Pferd geht in den Hänger – nicht, weil es sich dort wohlfühlt, sondern weil es draußen noch bedrohlicher wirkt.
Doch wenn plötzlich etwas auftaucht, das dem Pferd noch mehr Angst macht als der Mensch am Strick, bricht die ganze Kontrolle in sich zusammen.
Sie war nie echt – nur geliehen durch Furcht. Diese Art der Kontrolle ist nicht nachhaltig!

Das Pferd folgt, um zu überleben – nicht, weil es sich sicher und verstanden fühlt.


Was ist also das Ziel?

Ein Pferd, das sich an uns orientiert, weil es uns vertraut.
Nicht, weil es Angst vor uns hat.

Wenn ich die Bedürfnisse meines Pferdes erkenne und ihm helfe, sie zu erfüllen, werde ich für es wichtig – jemand, an den man sich wendet, wenn es schwierig wird.

Indem ich Bedeutung für mein Pferd gewinne, entsteht echte Orientierung.
Das zeigt sich zum Beispiel daran, wie aufmerksam es auf mich reagiert – ob es mit mir in den Dialog tritt, ob am Seil oder frei.

Läuft es nur im Kreis, ohne mich wahrzunehmen? Oder sucht es den Kontakt?

Vollzieht es nur Lektionen oder gibt es Antworten und stellt Fragen?
Wenn unser Miteinander auf Verbindung und Vertrauen basiert – nicht auf Einschüchterung – wird das Pferd sich in schwierigen Momenten an uns wenden.


Vertrauen entsteht durch Klarheit und Konsequenz
Ein ängstliches Pferd, das vor einer Plane zögert, muss nicht darüber gezwungen werden. Viel hilfreicher ist es, ihm kleine Aufgaben in der Nähe zu geben – es geistig zu beschäftigen, ihm dabei zu helfen sich in der Nähe der Plane zu entspannen, bis es zur Ruhe kommt.

In dieser Ruhe kann es die Situation neu bewerten – und plötzlich verliert die Plane ihren Schrecken.

So wächst Vertrauen.
Und das Pferd speichert: Diesem Menschen kann ich vertrauen, er hat alles im Griff und das fühlt sich gut an.


Kontrolle – die das Pferd uns schenkt

Ein Pferd, das unter Druck verladen wird, wird im Hänger kaum echte Ruhe finden.
Doch wenn mein Ziel nicht nur das schnelle „Drinstehen“ ist, sondern dass es sich auf jedem Schritt – auf der Rampe, im Hänger – entspannen und wohlfühlen kann, dann lernt es:

Dieser Mensch hilft mir, mich gut zu fühlen.

Und mit diesem Gefühl wird es sich auch in anderen Situationen an mir orientieren.

Wenn ich zu jemandem werde, dem es wirklich vertraut, dann gibt es mir die Kontrolle – über seine Bewegung, über sich selbst.

Und was vom Pferd freiwillig gegeben wird, hat eine ganz andere Qualität:
Es ist ehrlich, eine Entscheidung des Pferdes und vor allem nachhaltig!

Um dieses Thema wirklich im ganzen zu begreifen, empfehle ich erstmal bei sich selbst hinzuschauen und zu reflektieren.
– Was bedeutet Kontrolle für mich persönlich?
– Wie wichtig ist es mir, mein Pferd kontrollieren zu können? Und wo kommt das her? Aus einer eigenen inneren Angst heraus? Wie viel Sicherheit kann ich meinem Pferd geben, wenn in mir die Angst hochkommt?
– Was passiert emotional in mir, wenn mein Pferd außer Kontrolle gerät? Spüre ich Angst? Panik? Wut? Sorge?

Gedanken die man sich machen sollte, wenn Kontrolle wichtig ist.

In diesem Sinne und im Sinne der Pferde,

Simone Carlson

 

 

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